Assange vor Gericht : Das Kennzeichen der Zivilisation
Vergleiche mit Nawalnyj verbieten sich. Julian Assange wird von einem Rechtsstaat gesucht und wehrt sich in einem anderen Rechtsstaat gegen seine Auslieferung. Man sollte auch nicht so tun, als sei die Veröffentlichung geheimer Dokumente per se eine Heldentat. Auch Journalisten können sich strafbar machen. Die Pressefreiheit ist wichtiges Grundrecht; es gibt aber auch andere Werte von Verfassungsrang. Transparenz erfüllt eine wichtige Kontrollfunktion im pluralen Gemeinwesen, Transparenz kann aber auch Menschenleben gefährden.
Öffentliches Interesse
So lautet ein Vorwurf gegen Assange. Andererseits bestand und besteht zweifellos ein überragendes öffentliches Interesse daran, Kriegsverbrechen aufzuklären.
Die lange Zeit, die Assange in der Botschaft Ecuadors in London sowie in britischer Haft zubrachte, sind ein Zeichen für eine gewisse menschenrechtliche Kluft zwischen Europa und den USA. So darf niemand ausgeliefert werden, dem in Amerika (oder sonst wo) die Todesstrafe droht. Aus unserer Sicht skurrile Strafandrohungen sind andererseits noch kein Grund, den internationalen Rechtsverkehr einzustellen. Eines ist aber stets zu beachten, erst recht in dieser Zeit, und hier ist wieder ein Blick nach Russland angezeigt: Jeder Mensch, ganz gleich ob ihm Völkermord oder Hochverrat vorgeworfen wird, ob beschuldigt oder verurteilt, ist zu jeder Zeit menschlich zu behandeln. Was einfach klingt, ist das Kennzeichen von Zivilisation.