Schottische Nationalisten : Die Unabhängigkeit ist nicht mehr das Hauptthema

Nach einem Führungswechsel und einer verlorenen Nachwahl müssen die schottischen Nationalisten sich neu sammeln. Über ein Unabhängigkeitsreferendum denken sie aber weiter nach.
Die Schottischen Nationalisten (SNP) versuchen, mit neuen finanziellen Versprechungen Anhänger und Wähler zurückzugewinnen, die ihnen in den vergangenen Monaten nach einer Spendenaffäre, einem Führungswechsel und einer (an die Labour-Partei) verloren gegangenen Nachwahl zum britischen Unterhaus den Rücken gekehrt haben. Ihr neuer Parteiführer Humza Yousaf kündigte zum Ende des SNP-Jahresparteitags am Dienstag an, die von seiner Partei geführte schottische Regionalregierung in Edinburgh werde jährlich zusätzlich 100 Millionen Pfund in den staatlichen Gesundheitsdienst investieren, um die Wartezeiten für Patienten zu verkürzen.
Außerdem werde sie die Kommunalsteuern im nächsten Jahr nicht erhöhen. Dieses vorzeitige Wahlkampf-Geschenk – im nächsten Jahr finden Wahlen zum britischen Unterhaus statt – war allerdings offenkundig nicht mit der Partei der Grünen abgesprochen, mit der die SNP in Edinburgh eine Koalition bildet.
Die Frage der schottischen Unabhängigkeit, die von Yousafs Vorgängerin Nicola Sturgeon jahrelang in den Vordergrund gestellt worden war, wurde auf dem jüngsten Parteikongress nicht länger als drängendste Schlüsselfrage erörtert. Yousaf verpackte sie in fachpolitische Ankündigungen, indem er etwa in Aussicht stellte, Schottland wolle in nächster Zeit die Voraussetzungen dafür schaffen, am Kapitalmarkt selbst Anleihen begeben zu können, um mit den Mitteln aus diesen Darlehen Investitionen, etwa im Wohnungsbau, zu finanzieren. Dieses Versprechen wurde von Yousaf selbst in Bedingungen eingerahmt – es kann nur wirksam werden, wenn die SNP die Regionalwahlen des Jahres 2026 gewinnt.
Auch das Drängen auf ein neues Unabhängigkeits-Referendum wurde von der SNP unterdessen mit Konditionen versehen. Während Sturgeon einst angab, die Partei werde auf ein neues Referendum drängen, wenn bei der kommenden Unterhauswahl eine Mehrheit der Wähler für die SNP stimme – woraus sich eine de-facto-Zustimmung zur Unabhängigkeit ergebe. Ihr Nachfolger hängte die Messlatte nun jedoch niedriger. Yousaf gab an, es genüge, wenn die SNP im nächsten Jahr mehr der insgesamt 57 schottischen Unterhaussitze gewinne als jede andere Partei, wobei nur die Labour-Partei in Schottland eine ernsthafte Konkurrenz für diese Absicht darstellt.
Den Delegierten des SNP-Parteitags war diese Voraussetzung jedoch zu schwach; sie erreichten in einem Änderungsantrag, dass nun mindestens die Hälfte der schottischen Unterhaussitze von der SNP gewonnen werden muss, um daraus den Anspruch auf ein neues Referendum über die Unabhängigkeit zu abzuleiten. Yousaf kündigte an, er wolle unterdessen praktische Schritte zur Unabhängigkeit vorbereiten, etwa einen neuen Entwurf für eine schottische Verfassung ausformulieren.