Johnsons Rücktritt : Wie Großbritannien einen neuen Premierminister bekommt

In Großbritannien funktionieren die Dinge nicht so wie im Bundestag. Boris Johnson tritt als Anführer der Konservativen zurück. Sein Nachfolger als Parteichef wird dann auch Premierminister.
Die Konservativen sind die regierende Partei. Sie verfügen über eine große absolute Mehrheit im Unterhaus. Deshalb hätten Versuche anderer Parteien, eine Regierung zu bilden und dieser durch das Parlament das Vertrauen aussprechen zu lassen, keine Chance.
Das Land muss nun also warten, bis die Konservative Partei einen neuen Anführer gewählt hat. Für diese Wahl gelten parteiinterne Regeln. Die Wichtigste ist, dass der Anführer ein Unterhausmandat haben muss. Federführend bei dem Prozedere ist das immer noch ein wenig geheimnisumwitterte „1922 Komitee“. In diesem Gremium organisieren sich die sogenannten „Hinterbänkler“ der konservativen Unterhausfraktion. Hinterbänkler sind Abgeordnete, die keine Regierungsfunktion haben, auch nicht als Staatssekretäre.
Wahl läuft in zwei Schritten ab
Die Wahl eines Nachfolgers läuft in zwei Stufen ab. In einem ersten Schritt wählt die konservative Unterhausfraktion zwei Kandidaten aus, die sich in einem zweiten Schritt dann dem Votum der Parteimitglieder stellen. Bis es zu diesem basisdemokratischen Akt kommt, kann allerdings einige Zeit vergehen, denn gerade in einer politisch unruhigen Situation wie derzeit ist die Zahl potentieller Bewerber vermutlich groß. Beispielsweise haben sich der ehemalige Schatzkanzler Rishi Sunak und der ehemalige Gesundheitsminister Sajid Javid schon entsprechend geäußert. Die Rücktritte dieser beiden Schwergewichte im Kabinett hatten am Dienstag das schnelle Ende der Ära Johnson eingeleitet.
Nach welchen Kriterien die Auswahl der Kandidaten erfolgt, die sich dem Mitgliedervotum stellen, ist nicht öffentlich bekannt. Der Vorsitzende des 1922 Komitees verkündet aber allgemeine Regeln und den Zeitplan für die Wahl. Im Jahre 2019, als Boris Johnson gewählt wurde, hatten sich zunächst zehn Kandidaten um die Nachfolge von Theresa May beworben.
Wenn die Bewerbungsfrist abgelaufen ist, stimmt die Fraktion ab. Die- oder derjenige mit den wenigsten Stimmen scheidet aus. Abgestimmt wird so lange, bis nur noch zwei Kandidaten im Rennen sind. Falls sich von vornherein nur eine Person um das Amt bewirbt, entfällt die Abstimmung.
In Stufe zwei entscheiden dann alle Mitglieder der Konservativen Partei per Briefwahl, wer ihr neuer Anführer oder Anführerin werden soll. Für die Gültigkeit der Wahl ist kein Quorum festgelegt. Wer die meisten Stimmen erhält, hat gewonnen und wird dann zum Parteichef ausgerufen.
Wenn, wie zur Zeit, die Konservative Partei die Regierungsmehrheit stellt, bittet er oder sie anschließend die Königin um die Erlaubnis, eine neue Regierung bilden zu dürfen. Wird diese Erlaubnis erteilt, wird im Unterhaus eine Vertrauensabstimmung angesetzt. Geht diese für die neue Regierung erfolgreich aus, ist die Regierungskrise offiziell beendet. Erst in diesem Moment endet formal die Ära Boris Johnson.