Gesellschaft :
Linke Beziehungskisten

Von Professor Dr. Sven Reichardt
Lesezeit: 14 Min.
Als die Achtundsechziger sich daranmachten, das herkömmliche bürgerliche Wertekorsett aus Wohlanständigkeit und Enthaltsamkeit zu sprengen, war dieses längst Geschichte. Doch auch die schöne neue Alles-über-Sex-sagen-Welt der Linksalternativen war nicht von Dauer - wenn es sie überhaupt je gegeben hat.
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Es war eine Premiere. „Depressiver, sensibler, fast total geschaffter Typ sucht zum Aufbau einer längerfristigen, fruchtbaren Zweierbeziehung verständnisvolles weibliches Wesen“ hieß es 1977 - mit szenetypisch ironischem Unterton - im allerersten Partnergesuch des Frankfurter Stadtmagazins „Pflasterstrand“. Zehn Jahre zuvor hatte die Studentenbewegung der Sexualität noch eine alles befreiende, revolutionierende Wirkung zugesprochen. Die Neue Linke hatte der „künstlich-plastikartigen Erregungsindustrie“, herkömmlichen Geschlechterrollen der bürgerlichen Kleinfamilie und biederen kirchlichen Sexualitätsvorstellungen den Kampf angesagt. Sie idealisierte die Sexualität zum Gegenpol von Macht und Herrschaft und glaubte, dass deren freies Ausleben einen Prozess der emanzipatorischen Selbstreform auslöse.

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