Anschlag in Solingen : Reul: Tatverdächtiger stellte sich nicht selbst

In einer Sondersitzung macht die oppositionelle SPD in Nordrhein-Westfalen der grünen Integrationsministerin Vorwürfe. Und Innenminister Reul informiert über neue Details zur Festnahme.
Sechs Tage nach dem tödlichen Messerangriff in Solingen hat der nordrhein-westfälische Landtag am Donnerstag mit der politischen Aufarbeitung der Tat begonnen. Auf Antrag der SPD-Oppositionsfraktion kamen der Innen- und Integrationsausschuss in Düsseldorf zu einer gemeinsamen Sondersitzung zusammen. Im Zentrum standen besonders die Behördenfehler im Verantwortungsbereich von Flucht- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne).
Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte zu Beginn der Sitzung, vor einer großen abstrakten Gefährdungslage hätten alle Sicherheitsbehörden seit Jahren gewarnt. Dennoch zeige Solingen, „dass ein solcher Terrorakt stattfinden kann“. Leider sei es in der Regel nicht möglich, vorherzusagen, wo jemand konkret zuschlage.
Trotzdem habe der Staat „funktioniert“, der Verdächtige sei innerhalb von 24 Stunden nach der Tat verhaftet worden. Reul informierte darüber, dass der Tatverdächtige sich nicht selbst gestellt habe. Vielmehr sei der Mann einer Polizeistreife am Samstagabend in der Nähe des Tatorts aufgefallen.
In Untersuchungshaft
Am vergangenen Freitag waren bei einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet worden, acht weitere wurden verletzt. Tatverdächtiger ist ein 26 Jahre alter Syrer.
Issa Al H. war Ende 2022 über Bulgarien nach Deutschland gekommen und hätte nach den sogenannten Dublin-Asylregeln eigentlich nach Bulgarien zurückgebracht werden müssen. Er sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Integrationsministerin Paul sprach von „vielleicht ungünstigen Zufällen“ bei der gescheiterten Rückführung des Tatverdächtigen. Das System sei „höchst fehleranfällig“.
Scharfe Kritik an Paul kam aus der Opposition. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Lisa-Kristin Kapteinat warf der Ministerin vor, ihrer Verantwortung nicht gerecht zu werden. Sie sei tagelang abgetaucht, habe es nicht für notwendig gehalten, persönlich an den Tatort nach Solingen zu fahren und schiebe nun die Verantwortung an die Kommunen ab. Das sei „nicht nur schwach, das ist feige“, sagte Kapteinat.
Noch härtere Worte wählte FDP-Politiker Marc Lürbke. Nicht der Attentäter sei vier Tage abgetaucht, „sondern die zuständige Ministerin“. AfD-Politikerin Enxhi Seli-Zacharias sprach von einer „Chronik eines Scheiterns“. Am Freitag kommt dann auch der nordrhein-westfälische Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wird über die bisherigen Erkenntnisse informieren. Außerdem wollen CDU und Grüne Versäumnisse der Behörden in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten.