Bundesverfassungsgericht :
Hoffen auf Karlsruhe ist kein Ersatz für Politik

Reinhard Müller
Ein Kommentar von Reinhard Müller
Lesezeit: 1 Min.
2024 hat das Bundesverfassungsgericht drei Grundsatzurteile gefällt, die auch das kommende Jahr prägend könnten.
Die deutsche Verehrung des Bundesverfassungsgerichts sollte nicht dazu führen, sich auf dessen grundgesetzlicher Stärkung auszuruhen. Wer den Rechtsstaat in Gefahr sieht, muss täglich an seinem Erhalt arbeiten.
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Die Stellung und der Ruf des Bundesverfassungsgerichts sind herausragend – auch im internationalen Vergleich. Seine Bedeutung, sein Einfluss und seine Unabhängigkeit gründen offensichtlich nicht darauf, dass etwa die Modalitäten der Wahl der Richter nicht im Grundgesetz selbst geregelt sind. Die lagerübergreifende Übereinstimmung, die „Resilienz“ des Verfassungsgerichts zu stärken, hat nur einen Grund: die Stärke der AfD. Und es stimmt:

Blickt man auf Ungarn und Polen, aber auch darüber hinaus, so versuchen die Gegner liberaler Demokratien (die in freien Wahlen an die Macht gekommen sind), zunächst die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien in ihrem Sinne einzuschränken.

Ohne Illusionen

Man sollte sich aber keinen Illusionen hingeben: Die Änderung des Grundgesetzes führt zwar dazu, dass mit einfacher Mehrheit die Richterwahl nicht geändert werden kann. Aber wer diese Mehrheit hat, der regiert – und wird dann die Ministerien sowie die Spitzen von Militär und Sicherheitsbehörden besetzen können.

Das Bundesverfassungsgericht würde dann, so die Hoffnung, als rechtsstaatliches Bollwerk alle grundgesetzwidrigen Auswüchse in die Schranken weisen. Der faktische Einfluss einer parlamentarischen Mehrheit und der dann laut werdende Vorwurf, das Karlsruher Gericht habe sich von der demokratischen Mehrheit entkoppelt, wären aber nicht zu unterschätzen.

Die deutsche Verehrung des Bundesverfassungsgerichts sollte nicht dazu führen, sich auf dessen grundgesetzlicher Stärkung auszuruhen. Wer den demokratischen Rechtsstaat in Gefahr sieht, muss täglich an seinem Erhalt arbeiten. Mehr denn je gilt: Warten und Hoffen auf Karlsruhe ist kein Ersatz für Politik.

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