Gesetz zur DDR-Opferhilfe : Vertagt bis zum Tod
Wie kann man so versagen? Am Dienstagabend machte die Novellierung eines Gesetzes zum Wohl von Opfern des DDR-Unrechts die Runde. Endlich ein greifbarer Fortschritt für die Geschundenen. Und das so kurz vor den Neuwahlen. Eine Überraschung, ein Coup, ein Erfolg für all die Stasi-Häftlinge und andere Leidensgenossen – mit Schockwirkung. Denn eine Gruppe bleibt von der Verbesserung der Anerkennung, der Erhöhung der Unterstützung ausgeschlossen. Von Doping-Opfern der DDR ist in der Einigung zwischen Regierung, FDP und CDU nicht die Rede.
Nur in einem Wurmfortsatz: Im Zuge der Gesetzgebung gibt es einen Entschließungsantrag, den Nöten von Athletinnen und Athleten des Zwangsdoping-Systems unter Honecker und Co. möge man in Zukunft mit einem Gesetz entgegenkommen. Wer das Kleingedruckte liest, versteht, was das bedeutet: Ein Entschließungsantrag hat keinerlei Bindung für die nächste Bundesregierung. Die Dämpfung des Leids von Athletinnen und Athleten kurz vor oder im Rentenalter wird – gut 35 Jahre nach dem Fall der Mauer – wieder vertagt. Bis sich niemand mehr wehren kann?
Geopfert für ein politisches Ziel
Wer all die Studien von Wissenschaftlern und Historikern, die Zeugenaussagen in den Akten der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität, wer Stasi-Akten mit den Details zum flächendeckenden, kriminellen Doping-System und zuletzt die Aussagen von Sachverständigen im Rechtsausschuss las, der kann an den Fakten nicht vorbei: Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sind reihenweise geopfert worden für ein politisches Ziel.
Landesbeauftragte für die Aufarbeitung des SED-Unrechts haben Jahrzehnte lang darauf hingewiesen, der wissenschaftliche Dienst des Bundestags sieht es so. Und die großen Fraktionen, die von SPD, Grünen und auch der CDU, sprachen so. Sie konnten oder wollten sich, kaum zu glauben, gegen die Blockade der kleinen FDP nicht durchsetzen. Weil es Geld kostet, was der Staat nicht (mehr) hat?
Die Bundesrepublik hat etwa 1500 Sportlerinnen und Sportler als Doping-Opfer der DDR anerkannt. Nicht alle würden einen Antrag stellen, mit Hilfe einer kleinen Rente wenigstens Medikamente zahlen zu können. Und nicht alle, die dringend Hilfe brauchen, könnten die Hürden überwinden. Es geht, schaut man aufs Geld, grob gerechnet um ein bis zwei Millionen Euro pro Jahr.
Wenn das schon zu viel war, wenn dieses Sümmchen einen Keil trieb zwischen die Opferverbände, von denen einige die Berücksichtigung von Doping-Opfern in der Gesetzesnovelle ablehnen, dann stellt sich dieses Land gerade ein Armutszeugnis aus. In jeder Beziehung.