Stretchhosen für Männer :
Dehnt sich so schön

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Kann man machen, muss man aber nicht: Der Herr trägt Stretchhosen.

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Stretch ist aus Sportkleidung nicht mehr wegzudenken. Doch auf der Straße und im Büro kommt der Stoff nicht richtig an. Das wollen Unternehmen ändern, die auf ein Kleidungsstück setzen: die Herrenhose.

Karl Lagerfeld hatte recht. „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Dass Menschen sie dennoch anziehen, hat einen guten Grund. Diese Hosen sitzen einfach bequem. Sie dehnen sich, wenn die Beine mal woanders hinwollen, als es die Form vorgibt. Doch aus der Jogginghose wird schnell eine Schlabberhose, weil sich die Baumwolle nicht mehr zu ihrer ursprünglichen Form zurückbewegt und an Knie und Hintern ausbeult. Also schlüpfen viele Menschen erst nach der Arbeit aus ihren zähen Jeans oder zwickenden Anzughosen erleichtert in ihre Jogginghosen. Doch es gibt Hosen, die beides sind: bequem und schick – sogar tauglich für den Businesslook.

Die Lösung heißt Stretch. Bekannte Marken wie Boss, Diesel, Zegna und einige weitere führen Produkte mit Stretchanteil schon länger. Jedoch muss man nach solchen Kollektionen gezielt suchen. Charly Diehl hat in seinem alteingesessenen Frankfurter Bekleidungsgeschäft einige Sakkos und Hemden verschiedener Hersteller hängen, die sich bequemer tragen als Kleidungsstücke aus klassischen Materialien. „Stretch ist bei Frauen schon lange ein Trend. Auch bei Männern gibt es mittlerweile eine gute Auswahl. Aber Stretch kommt bei denen nicht so richtig an und wird von den Männern auch selten nachgefragt“, sagt Diehl.

So nimmt er spontan ein Jersey-Sakko der japanischen Marke „D by D*Syoukei“ von der Stange, das sich ordentlich dehnt, wenn man sich darin bewegt. Was Diehl nicht im Sortiment hat, sind Hosen dieser Art. Diese Nische versuchen nun Unternehmen zu besetzen, denen man allerdings eher auf Facebook und Instagram begegnet als im klassischen Bekleidungshaus. Sie heißen L’Estrange London, Mr Marvis oder Shaping New Tomorrow. Sie werben mit jungen Menschen, die in ihren Hosen über Geländer springen, Rad fahren und sie nur zum Schlafen ausziehen.

Die Materialzusammensetzung solcher Hosen ist kein Geheimnis. Fast immer bestehen sie zu 97 Prozent aus Baumwolle und zu drei Prozent aus Elasthan. Letzteres ist eine chemisch hergestellte Faser, die manchmal auch Spandex oder Dorlastan genannt wird. Lycra heißt sie dann, wenn sie vom amerikanischen Unternehmen Dupont hergestellt wird. Diese Kunstfaser ist sehr elastisch und besteht zu 85 Prozent aus Polyurethan. Sie kann bis auf das Siebenfache ihrer Länge gedehnt werden. Ein klarer Vorteil gegenüber Naturstretch: So bezeichnet man Baumwolle, Schurwolle oder Garn aus anderen Stoffen, die so verwebt sind, dass sich das Kleidungsstück etwas dehnt. Unter starker und häufiger Belastung leiert der Stoff jedoch aus, weil er sich nicht gummiartig wie Elasthan auf die ursprüngliche Länge zurückziehen kann.

„Elasthan hat schon mehrere Lebenszyklen hinter sich“, sagt Klaus Meier. Er ist Professor für Textiltechnologie an der Hochschule Reutlingen. Anfang der sechziger Jahre sei Elasthan sehr beliebt gewesen, ebenso in den siebziger Jahren. „Der Stoff hat sich überall im Modebereich etabliert“, sagt Meier. Elasthan steckt vor allen Dingen in Badeanzügen und -hosen, BHs, Unterhosen, Strümpfen, Leggings oder Radlerhosen. In diesen Kleidungsstücken ist der Elasthananteil recht hoch, was einen Nachteil hat. Sie sind nicht mehr so atmungsaktiv.

„Einmalige und patentierte Webstruktur“

Ein geringer Anteil, fast immer drei Prozent, ist Standard bei Stretchhosen der Freizeitmode. Unterschiede in der Qualität entstehen durch die verwendete Baumwolle und das Webverfahren. So verwendet etwa Shaping New Tomorrow aus Dänemark amerikanische Pima-Baumwolle, die längere Fasern hat und somit „weicher und widerstandsfähiger“ sei, wie Christoffer Bak, einer der Gründer, sagt. Wer schon einmal ein T-Shirt aus dieser Baumwolle getragen hat, wird dies bestätigen können. Für Christoffer Bak ist allerdings das Webverfahren für seine „Perfect Pants“ entscheidend. Leider rückt der Däne aus Angst vor Nachahmern nicht mit allen technischen Details darüber heraus, wie in der Fabrik in Portugal die Baumwolle und Lycra-Fasern verwoben werden. So viel verrät er dann aber schon: „Die Lycra-Faser wird von dem Baumwollgarn in einem Core-Spun-Garn-Verfahren umsponnen“, sagt Bak. Das sorgt für Festigkeit. Nun gilt es, diese Fäden mit der reinen Baumwolle zu verweben. Diese „einmalige und patentierte Webstruktur“ sei ein weiteres „Geheimnis“. Die Fasern würden auf besondere Art und Weise übereinandergelegt. Damit erreiche man einen „360-Grad-Stretch“, so dass sich „die Hosen an jede Bewegung optimal anpassen“.

Schaut man sich eine Hose von Shaping New Tomorrow an und trägt sie eine Weile, versteht man die Andeutungen von Christoffer Bak besser. Der Stoff der „Classical Pants“ hat eine Gitterstruktur, die sich durch das Webverfahren ergibt. Die reine Baumwolle gibt der Hose die Farbe, deren Fäden wie in einem schwarzen Fundament immer wieder auf- und abtauchen. Die schwarzen Fäden bestehen aus Lycra-Fasern, die mit Baumwolle umsponnen sind. Nimmt man den Stoff in die Hände und zieht ihn mit Daumen und Zeigefingern auseinander, wird schnell klar, was mit „360-Grad-Stretch“ – manche Hersteller nennen es Vier-Wege-Stretch – gemeint ist. Der Stoff lässt sich in fast alle Richtungen dehnen. Überraschenderweise ist die Dehnung in Längsrichtung, also das Bein entlang, am geringsten. Das gleiche Phänomen konnten wir auch an einem paar Diesel-Jeans mit Stretchanteil feststellen. Shaping New Tomorrow hat die Stretchhose nicht neu erfunden. Aber während des Tragens fühlt sich so eine Hose noch komfortabler und weicher an als andere Hosen mit Stretchanteil, was meist Jeans sind, und sieht dabei aus wie eine normale Freizeithose. Man fühlt sich darin beweglich genug, um auch Sport zu machen. Dass der Stoff so weich ist, werde durch eine Oberflächenbehandlung der Fasern am Ende des Fertigungsprozesses erreicht, so der Gründer von Shaping New Tomorrow.

Für den Trend zur Stretchhose sind die Dänen mitverantwortlich. Nun nutzen sie noch einen anderen, den Unternehmen wie Patagonia und Quicksilver vorangebracht haben, um die Aufmerksamkeit auf ihre Produkte zu lenken. In den „New Tomorrow Recycle Pants“ setzen sie mit vier Prozent Anteil auf das bewährte Elasthan, verzichten aber auf den Baumwollanteil und ersetzen diesen durch zwei andere Materialien. Die neuen Hosen bestehen aus 29 Prozent Ecovero. Das ist Öko-Viscose, hergestellt aus „zertifizierten erneuerbaren Holzquellen in einem umweltbewussten Herstellungsprozess“. 67 Prozent des Stoffes bestehen aus recyceltem Polyester des Unternehmens Repreve. Die Amerikaner sammeln Plastikflaschen aus den Weltmeeren und Mülldeponien, um sie zu Polyester zu verarbeiten. Im Vergleich zu anderen Unternehmen, die PET-Flaschen recyceln, dafür aber neuen Kunststoff hinzunehmen müssen, schafft es Repreve, seinen Stoff allein aus den gesammelten Flaschen herzustellen. Der Müll kommt in der Fabrik geschreddert in flockenähnlichen Teilchen an, die zu Minipellets geschmolzen werden. Diese werden abermals geschmolzen und als Masse durch dünne Öffnungen gepresst, so dass Fäden entstehen, die gekühlt und aufgerollt werden.

Im Vergleich zu den „Perfect Pants“ sehen die recycelten komplett anders aus. Das Webverfahren sei noch das gleiche, aber die Anmutung ist anders. Während die klassische Variante eher an Jersey erinnert, hat man bei den „Recycled Pants“ das Gefühl, eine Hose aus Satin zu tragen. Hinzu kommt eine Bügelfalte. Mit diesem Produkt richtet sich Shaping New Tomorrow eher an Business-Kunden.

Egal ob Baumwolle oder recyceltes Polyester: Klaus Meier von der Hochschule Reutlingen hat unabhängig davon eine Empfehlung für alle, die umweltfreundlich Hosen kaufen wollen: „Die alte tragen, bis sie kaputt ist.“

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