Kryptowährung : Über den fairen Wert des Bitcoin
Die Debatte über den fairen Wert von Bitcoin wird oft mit großer Leidenschaft geführt und polarisiert die Finanzwelt wie kaum ein anderes Thema. Bitcoin-Kritiker argumentieren oft im Sinne der „Greater Fool Theory“. Sie gehen davon aus, dass Investoren lediglich darauf spekulieren, ihre Bitcoins zu einem höheren Preis an einen „Greater Fool“ (einen noch größeren Narren) weiterzuverkaufen, anstatt an einen inneren Wert der Kryptowährung zu glauben.
Der Skepsis der Kritiker steht eine mittlerweile mehr als fünfzehnjährige – zugegebenermaßen durchaus volatile – Erfolgsbilanz des Bitcoins gegenüber. Anfang des Jahres wurde in den USA der erste Bitcoin-ETF genehmigt, woraufhin der Preis einen neuen Höchststand von rund 67.000 Euro erreichte.
Die Diskussion über den fairen Wert von Assets ist mindestens so alt wie die Wirtschaftswissenschaften selbst. Entscheidend für die Entstehung von Wert ist ein begrenztes Angebot. Übersteigt die Nachfrage dieses limitierte Angebot, ergibt sich ein positiver Preis. Um zu ermitteln, ob dieser Preis einen echten Wert widerspiegelt, muss die Motivation hinter der Nachfrage untersucht werden: Ist sie rein spekulationsgetrieben im Sinne der „Greater Fool“-Theorie und der Preis somit nur Ausdruck einer Blase? Oder gibt es auch fundamentale Gründe für die Nachfrage, was auf einen tatsächlichen Wert des Assets hindeuten würde?
Bitcoin erfüllt die Voraussetzung des knappen Angebots, da die Bitcoin-Geldmenge auf 21 Millionen Einheiten beschränkt ist. Um festzustellen, ob Bitcoin nicht nur einen positiven Preis, sondern auch einen inhärenten Wert besitzt, gilt es, die treibenden Kräfte hinter der Nachfrage zu analysieren. Zweifellos spielt das von Kritikern oft angeführte Spekulationsmotiv eine bedeutende Rolle. Es gibt jedoch noch zwei weitere relevante Faktoren, die die Nachfrage nach Bitcoin beeinflussen: Zum einen realwirtschaftliche Anwendungsfälle, die sich aus der Nutzung der Bitcoin-Blockchain als dezentrale Datenbank ergeben. Zum anderen die Verwendung von Bitcoin als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel, die auf dem Vertrauen in die Eigenschaften der Kryptowährung sowie der zugrunde liegenden Blockchain basiert.
Einerseits entsteht Nachfrage durch die Nutzung der Bitcoin-Blockchain als dezentrale Datenbank. Protokolle wie Ordinals und Runes ermöglichen die Verwahrung und Übertragung digitaler Sammlerstücke. Zudem kann die Bitcoin-Blockchain – vor allem aufgrund ihrer Unveränderbarkeit – als Werkzeug für die Zeitstempelung von digitalen Dokumenten genutzt werden. Diese fundamentale, realwirtschaftlich begründete Nachfrage ist vergleichbar mit der industriellen Nachfrage nach Gold. Der daraus resultierende Wert wird oft als innerer oder intrinsischer Wert bezeichnet.
Neben dem inneren Wert aus der industriellen Verwendung weisen Assets, die als Zahlungsmittel und Wertaufbewahrungsmittel dienen, oft zusätzlich eine monetäre Prämie auf. Diese Prämie resultiert aus dem Vertrauen in das entsprechende Geld(system) und die daraus entstehenden Netzwerkeffekte. Das Vertrauen in heutiges Fiatgeld basiert darauf, dass Zentralbanken und somit die Staaten mit ihrer wirtschaftlichen Stärke dieses Geld stützen. Vertrauen kann sich jedoch auch, wie bei Gold, über Jahrhunderte hinweg auf natürlichem Wege entwickeln und festigen.
Assets mit monetärer Prämie zeichnen sich meist durch gute Teilbarkeit, Transportfähigkeit, Haltbarkeit und Fungibilität aus – Eigenschaften, die Bitcoin ebenso wie Gold besitzt. Historisch gab es viele weitere Assets mit monetärer Prämie, darunter Zigaretten, Muscheln und sogar Steine.
Ein Beispiel sind die Rai-Steine auf den Yap-Inseln im Westpazifik, die jahrhundertelang als Geld fungierten. Sie hatten keinerlei industriellen Nutzwert, aber dennoch eine monetäre Prämie. Diese hing von Größe, Form und Herstellungsaufwand der Steine ab. Mit modernen Werkzeugen und Schiffen ab dem 19. Jahrhundert konnte die Produktion und somit das Angebot der Steine jedoch drastisch gesteigert werden. Die Rai-Steine fielen der Inflation zum Opfer.
Bitcoin ist aufgrund seiner begrenzten Geldmenge vor einer Inflation geschützt. Allerdings unterliegt die Nachfrage nach Bitcoin und damit die monetäre Prämie derzeit noch starken Schwankungen. Dies liegt am großen Einfluss von Spekulanten und daran, dass Bitcoin noch nicht ein über Jahrhunderte aufgebautes Vertrauen wie Gold genießt.
Es ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und sinnvoll, Bitcoin mit einer gesunden Portion Skepsis zu begegnen. Die Kryptowährung bleibt ein riskantes Asset, der Erfolg ist nicht garantiert. Die Aussage, der faire Wert von Bitcoin sei null, lässt sich allerdings weder empirisch noch theoretisch begründen.
Aus Sicht der Empirie liegt die Marktkapitalisierung von Bitcoin aktuell bei rund 1,2 Billionen Euro, das entspricht ungefähr der Größe von Meta (ehemals Facebook). Bitcoin gehört damit nun bereits seit einigen Jahren zu den größten Assets der Welt.
Aus theoretischer Perspektive ist es nachvollziehbar, dass ein Vermögenswert mit Bitcoins Eigenschaften eine monetäre Prämie besitzt. Es ist nicht nur teilbar, transportierbar, haltbar und fungibel, sondern zudem das erste Asset, das gleichzeitig digital, dezentral und knapp ist – eine Kombination, die vor Bitcoin kein anderes Asset geboten hat und die nur durch die Entwicklung einer völlig neuen Datenbanktechnologie namens Blockchain möglich geworden ist.
Diese einzigartigen Eigenschaften sowie die sich seit 15 Jahren verstärkenden Netzwerkeffekte sind es, die Bitcoin zu einem ernst zu nehmenden Vermögenswert machen, der sich gerade in einer Phase der Monetarisierung befindet und daher sowohl Risiko als auch Wachstumspotential mit sich bringt.