Kolumne Weltblick :
Warum Religionen den Frieden fördern

Von Christian von Soest
Lesezeit: 2 Min.
Unser Kolumnist hat die Welt im Blick.
Rund um die Welt kommt es im Namen von Religionen zu Gewalt und Ausgrenzung. Dabei kann der Glaube auch viel positive Kraft entfalten – zum Beispiel in Sierra Leone, wie unser Kolumnist erzählt.
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Religion und Glaubensgruppen haben einen schlechten Ruf. In Afghanistan errichteten die Taliban einen drakonischen „Gottesstaat“, in dem Frauenrechte wenig gelten. Syrer jubeln zwar über den Zusammenbruch des Assad-Regimes, völlig unklar bleibt jedoch, wie die jetzt herrschende Islamistenmiliz HTS mit Alawiten, Christen, Drusen, Schiiten und Kurden umgehen wird.

Vorsichtshalber sagten die christlichen Organisatoren bereits den traditionellen Weihnachtsmarkt in der Hauptstadt Damaskus ab. In Sri Lanka, Myanmar und Thailand hetzten radikale buddhistische Mönche gegen Muslime. Indiens Ministerpräsident Narendra Modi hat in seinem Land die „Hindutva“, die Dominanz des Hinduismus, zum Ziel.

Aber Religion zeigt auch ihre helle, friedensstiftende Seite. Muslimische, christliche oder buddhistische Priester und Gläubige bauen selbst unter schwierigsten Bedingungen Brücken zwischen den Glaubensgruppen und zu Menschen, die keiner Konfession angehören, betreiben Schulen und Krankenhäuser und geben Menschen Hoffnung.

Als unwahrscheinliches Beispiel eines „positiven Friedens“ kann das westafrikanische Sierra Leone gelten. Hier sind Muslime und Christen bemerkenswert tolerant, wenn es um andere Religionen geht. Laut einer Studie des German Institute for Global and Area Studies (GIGA) haben in Sierra Leones Hauptstadt Freetown deutlich mehr als 80 Prozent der Befragten Freunde, die einem anderen Glauben anhängen.

Annähernd jeder Fünfte der Verheirateten hat einem Ehepartner aus einer anderen Religionsgruppe, und nur wenige Befragte lehnen es ab, neben Nachbarn anderen Glaubens zu wohnen. Dies wirkt umso bemerkenswerter in einem Land, das einen langen Bürgerkrieg hinter sich hat und zu den ärmsten Staaten der Erde zählt.

Wir können also einiges von Sierra Leone lernen: Erstens sollten Kinder verschiedener Religionsgruppen früh in Kontakt miteinander kommen, vor allem in der Schule. Zweitens braucht es einen stabilen rechtlichen Rahmen, der verschiedene Konfessionen gleichbehandelt, und Behörden, die konsequent gegen religiöse Hassreden vorgehen.

Drittens müssen gerade Regierungen in Staaten mit geringem Einkommen Armut und fehlende Aussichten für Jugendliche bekämpfen. In dieser Gruppe rekrutieren Terrorristen bevorzugt ihre Kämpfer. Schließlich wirken gemäßigte Prediger als ideale Botschafter für Frieden, Toleranz und Nächstenliebe. Es gilt, sie besonders zu unterstützen.

Der Glaube entfaltet auch heute noch eine enorme Kraft zum Guten. Der Kern ist dabei für alle Religionen gleich. Es ist die Würde jedes Menschen.

Prof. Dr. Christian von Soest
Christian von Soest leitet den Forschungsschwerpunkt Frieden und Sicherheit am German Institute for Global and Area Studies (GIGA) und ist Honorarprofessor an der Universität Göttingen. Ende 2023 ist sein Buch „Sanktionen: Mächtige Waffe oder hilfloses Manöver?“ erschienen.
Bild: FAZ
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