Schwieriges Erbe : Lange Schatten
Die Gesellschaft zur Förderung der Richard-Wagner-Gesamtausgabe ist ein eingetragener Verein, der es sich seit 1979 zur Aufgabe gemacht hat, die wissenschaftlich-kritische Gesamtausgabe der Werke Richard Wagners, die an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz erarbeitet wird, zu unterstützen. An der Spitze der Gesellschaft steht der Germanist Dieter Borchmeyer. Der hatte sich vor Weihnachten mit der Anfrage, ob man den bevorstehenden Abschluss der Wagner-Ausgabe mit einem Konzert feiern könne, an die Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) gewandt. Ende Januar hat deren Präsidentin, die Musikwissenschaftlerin Lydia Grün, die seit 2022 amtiert, diesen Vorschlag abgelehnt.
Der Fall Mauser und die Folgen
Begründung: „Eine Festveranstaltung zu Richard Wagner und seinem Schaffen, die in unserem Hauptgebäude Arcisstraße 12 mit seiner nationalsozialistischen Architektur und ursprünglichen Nutzung verortet ist, halten wir nur dann für angemessen, wenn diese mit einer ausdrücklich kritischen Auseinandersetzung mit dem Komponisten, seiner Wirkungsgeschichte und Kontext einhergeht. Gerade angesichts der gesamtgesellschaftlichen antidemokratischen Entwicklungen ist für uns eine solche kritische Auseinandersetzung unbedingt geboten.“
Und dann teilte Grün Borchmeyer noch mit, dass dessen „öffentliche persönliche Positionierung zugunsten des ehemaligen Präsidenten der HMTM, Dr. Siegfried Mauser, ebenfalls in unsere Entscheidung grundlegend eingeflossen ist. Positionen, welche die Straftaten von Herrn Dr. Mauser nicht als solche akzeptieren oder diese bagatellisieren, sind an unserer Hochschule nicht willkommen.“ Eine Reaktion Borchmeyers auf die Absage gibt es bislang nicht.
Der Pianist als Justizopfer?
Publik wurde der Mailverkehr in der Münchner „Abendzeitung“. Die Musikhochschule legt Wert auf die Feststellung, sie habe selbstverständlich diese Korrespondenz nicht durchgestochen – man gebe keine interne Korrespondenz an die Presse. Was man stattdessen tut, ist, wofür Grün auch berufen wurde – endlich mit dem System Mauser aufzuräumen, was dessen Amtsnachfolger Bernd Redmann nur in Ansätzen gelungen war.
Da ist er wieder, der lange Schatten des wegen sexueller Nötigung in drei Fällen verurteilten Pianisten Mauser, der einfach nicht weichen will. Er überlagert auch das seltsame Ansinnen Borchmeyers, ausgerechnet dort Wagner zu feiern, wo man sich von dessen antisemitischem Erbe befreien will: Dass am Gebäude das Label „Führerbau“ klebt – das Münchner Abkommen wurde 1938 hier unterzeichnet –, ist nur eine Facette dieses schwierigen Erbes. Es bleibt abzuwarten, ob die bevorstehende Sanierung und der Umbau zu einem Campus künftig ein weltoffenes Image befördern. Die prominenten, betagten Unterstützer, die „den Sigi“ seit Jahren zum Justizopfer stilisieren, haben mit ihren öffentlichen Treueschwüren Mausers Anspruch auf Resozialisierung einen Bärendienst erwiesen.