Wie sie aussieht, unsere künstliche Welt

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Die Messen diktieren den Rhythmus des Reisens. Das gilt nicht nur für Kunstmarktler. Doch nimmt gerade dieses Geschäft derzeit exponentielle Ausmaße an: Jede Woche werden neue Orte, neue Messenamen verkündet. Zuletzt war Hongkong an der Reihe. Im Verhältnis zu dieser Ausdehnung nach Asien zeigt die Fotosammlung ...
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Die Messen diktieren den Rhythmus des Reisens. Das gilt nicht nur für Kunstmarktler. Doch nimmt gerade dieses Geschäft derzeit exponentielle Ausmaße an: Jede Woche werden neue Orte, neue Messenamen verkündet. Zuletzt war Hongkong an der Reihe. Im Verhältnis zu dieser Ausdehnung nach Asien zeigt die Fotosammlung der Künstlerin Gabriele Heidecker geradezu beruhigend bekannte Hallen - auf dem Art Forum in Berlin, der Frieze in London, der Fiac in Paris, der Art Basel in der Schweiz, der Arco in Madrid und der Art Cologne in Köln. Sie bleibt Europa treu.

Sieben Jahre lang ist Heidecker für ihr Buch "Art Affairs" durch die Gänge und über die Stände gestreift, zeigt uns bekannte Gesichter in Momenten ohne Pose, ohne Präsentationsmimik, die ins unergründlich Leere blicken: Die Leiterin des Art Forums Berlin, Sabrina van der Ley, steht dort sichtlich erschöpft vom Trubel, gedankenversunken, starr mit einem Weinglas in der Hand. Dann sucht die Fotografin nach Ausschnitten, nach Formen und Zusammenstellungen, die die Kunsthallenstimmung vermitteln können. Verschwommen ist vieles, das Kunstlicht verfremdet die Farben. Es ist nicht leicht, zu vermitteln, was dort geschieht. Das Scheitern daran steckt ein wenig in diesen Bildern. Schuhe, Beine bilden ein beliebtes Motiv von ihr: Sie erzählen vom so wichtig genommenen, aber auch so gegensätzlichen Kleidungsstil der Galeristen, der Besucher und Künstler. Er ist eben Teil des Geschäfts. Die Fotos sind eingerahmt durch Texte von Marc Spiegler, dem neuen Strategen der Art Basel, Jean-Christophe Ammann und Ulrike Münter. Wundersam abgeklärt beschreiben sie, was das Kunstmessentreiben für sie bedeutet. Alle Texte sind in Deutsch, Englisch und Chinesisch abgedruckt - ein Zeichen in die Himmelsrichtung der Zukunft?

Dieses Buch braucht die Kunstwelt zwar nicht, und den Übrigen bleibt sie auch nach der Lektüre wohl seltsam fremd, und doch lädt es auf leichthändige Weise zum Innehalten ein. Zum Blick von außen auf einen Betrieb, dessen Schnelligkeit berauschend und beängstigend zugleich wirkt. Vom vielbeschworenen Glanz der Kunstszene ist hier jedoch nichts entdecken. Es riecht nach harter Arbeit, Ehrgeiz und Geldmaschinen, aber auch nach der Droge Kunst, die nur mit Leidenschaft ihre vollständige Wirkung entfalten kann.

Eigentlich hat sich jede Ideologisierung von Kunst von den Messen verabschiedet, doch auf diesen Fotos schleicht sie sich wie durch die Hintertür wieder hinein. Es liegt am Ausdruck der Protagonisten, die völlig losgelöst für die Messetage in dem Kunstuniversum zu verschwinden immer bereit sind.

Gabriele Heidecker: "Art Affairs". Hatje Cantz, Ostfildern 2007. 160 S., 158 farbige Abb., 24,80 Euro.

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