Preise der Leipziger Buchmesse : Casanova, Narziss und unsere anderen Verwandten

Die Preise der Leipziger Buchmesse sind vergeben: Sie gehen an Iris Hanika, Heike Behrend und Miklós Szentkuthy. Alle drei Bücher erschienen bereits 2020.
Nach dem ersten Lockdown im vergangenen Jahr, dem damals auch die Leipziger Buchmesse zum Opfer fiel, wurde vom deutschen Literaturbetrieb ein „Zweiter Frühling“ für die Verlagsproduktion der ersten Jahreshälfte ausgerufen, die wegen der Schließungen nicht die übliche Aufmerksamkeit gefunden hatte. Wenn man sich die diesjährigen Preisträger der Leipziger Buchmesse ansieht, könnte man meinen, auch hier sollte Versäumtes nachgeholt werden: Alle drei Gewinnerbücher stammen aus dem Jahr 2020.
In der Kategorie Belletristik geht der diesjährige Preis der Leipziger Buchmesse an Iris Hanikas Roman „Echos Kammern“ (Droschl Verlag). Er erzählt von zwei Frauen mittleren Alters und einem etwas jüngeren Mann und dreht sich um moderne Formen des Narzissmus. Unsere Rezensentin Rose-Maria Gropp schrieb dazu: „Wer sich schon einmal mit psychoanalytischen Diffizilitäten herumgeschlagen hat, wird daran seinen besonderen Spaß haben; alle anderen bekommen einen garantiert unterhaltsamen Schnellkurs in Narzissmustheorie.“ Mit Friederike Mayröcker, Judith Hermann, Helga Schubert und Christian Kracht war das Feld der weiteren Nominierten ausgesprochen stark besetzt. Dass die sechsundneunzigjährige Friederike Mayröcker leer ausging, muss gleichwohl einen schalen Nachgeschmack hinterlassen.
Bei den Sachbüchern triumphierte Heike Behrends „Menschwerdung eines Affen – Eine Autobiografie der ethnografischen Forschung“ (Matthes & Seitz). Die Ethnologin im Ruhestand blickt darin auf ihr Forscherleben zurück. In ihrer Danksagung sprach die Forscherin vom „großen Glück“, das für sie darin lag, von Anfang an in der Obhut ihres Verlags an ihrem Buch arbeiten zu können. Ihr besonderen Dank galt indes all jenen Menschen in Afrika, die ihr Vertrauen geschenkt haben.
Der Leipziger Buchpreis für Übersetzung geht an Timea Tankó für die ins Deutsche gebrachte ungarische Studie „Apropos Casanova“ des hierzulande bislang unbekannten Schriftstellers Miklós Szentkuthy aus dem Jahr 1939 (Die Andere Bibliothek). Die Mischung aus „Liebesessayistik, Epochenporträt, Ideenkarneval und Theologie-Satire“, wie es in unserer Rezension hieß, galt damals dem präfaschistischen Horthy-Regime als freche Blasphemie, und im kommunistischen Ungarn galt Szentkuthy als „klassenfremdes Element“. Das Buch konnte dort erst in den siebziger Jahren ohne Zensur verlegt werden und ist nun erstmals auf Deutsch zu lesen.
Obwohl die Buchmesse auch diesmal nicht stattfinden konnte, wurden ihre Preise heute in Leipzig verliehen – sie sind mit jeweils 15.000 Euro dotiert. Die Preisträger und die anderen Nominierten waren online zugeschaltet.