Hölderlin-Symposion in München : Seher ist kein geschützter Beruf
Hölderlin isch ed färrughd gwäh!“ So stand es 1982 in Tübingen an eine Häuserwand gesprayt. Für Fremdsprachler: das schwäbische „ed“, je nach Region auch „id“, ist die Negationspartikel (“Warum ischd etwas un id vielmär nix?“). Dass Friedrich Hölderlin nicht verrückt gewesen ist, hatte vier Jahre zuvor der Germanist Pierre Bertaux mit seiner These vom „edlen Simulanten“ behauptet. Der Dichter habe als Gesuchter in einem Hochverratsprozess 1805 Zerrüttung nur vorgespielt - 38 Jahre lang die Welt auf Distanz haltend, bis zum Tod 1843. Das entspricht nicht mehr dem Kenntnisstand; die 1993 publizierten Pflegschaftsakten Hölderlins beseitigten Zweifel an einer Krankheit. Doch als Versuch, auch die letzte Lebensperiode Hölderlins noch als Werk zu deuten, reihte jene These sich fugenlos in die Wirkungsgeschichte dieses Dichters ein.