Körperwelten :
Schaulust und Verfälschung

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Wissenschaftler distanzieren sich
„Respekt vor den Toten sollte für die Lebenden selbstverständlich sein.“ - Heidelberger Professoren distanzieren sich von der "Körperwelten"-Ausstellung.
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Die nachstehenden Professoren des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Universität Heidelberg distanzieren sich mit allem Nachdruck von Inhalt und Form der Ausstellung "Körperwelten" von Gunther von Hagens. Für die Ausstellung wird mit dem angeblichen Ziel geworben, das anatomische Wissen der Bevölkerung erweitern zu wollen.

Diesem Anspruch wird die Ausstellung in keiner Hinsicht gerecht. Die menschlichen Präparate werden oft in einer Weise präsentiert, die die Anatomie völlig verfälscht.

Anatomisch unsinnige Präparate

Die reißerischen Schaueffekte überwiegen, zum Beispiel bei "vertikal und horizontal expandierten" Leichen sowie bei solchen Leichen, bei denen aus Effekthascherei anatomische Zusammenhänge zerstört worden sind, zum Beispiel dem "Läufer" mit teilweise abgelösten Muskeln. Der Gipfel dieser Entwicklung ist mit dem anatomisch unsinnigen Präparat des Reiters samt Pferd erreicht worden.

Die Ausstellungsbesucher werden nicht in didaktisch akzeptabler Weise informiert, sondern eher verwirrt, da die angebotenen Erklärungen völlig unzureichend sind. Anatomisches Wissen könnte man auch mit Modellen vermitteln, allerdings würde dies den Besucherstrom und damit die Einnahmen wahrscheinlich deutlich reduzieren.

Kein Respekt vor den Toten

Die Leichen werden in einer Weise präsentiert, die vom völligen Fehlen eines verantwortlichen Umgangs mit Verstorbenen zeugt. Es ist nicht vertretbar, Leichen aus Profitgründen zu Gegenständen der Neugierde und der Sensationslust herabzuwürdigen. Wenn ein Medizinstudent im Sektionskurs die Leichen ähnlich pietätlos behandeln würde, hätte dies den sofortigen Ausschluß des Betreffenden aus dem Kurs zur Folge.

Respekt vor den Toten sollte für die Lebenden selbstverständlich sein. Die Ausstellung und die dafür Verantwortlichen lassen diese Haltung völlig vermissen. Insgesamt ist die Ausstellung Ausdruck einer hemmungslosen Profit- und Profilierungssucht, die bewußt Tabus bricht, um möglichst viele Eintrittskarten zu verkaufen. Diejenigen Menschen, die tatsächlich aus Interesse an der Anatomie die Schau besuchen, werden um ihr Eintrittsgeld betrogen.

Prof. Dr. Siegfried Mense, Prof. Dr. Sabine Angermüller, Prof. Dr. Karin Gorgas, Prof. Dr. Joachim Kirsch, Prof. Dr. Jürgen Metz, Prof. Dr. Klaus Unsicker, Prof. Dr. Alfred Völkl

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