Deutschland bekommt sein erstes Flüssiggasterminal, Kanzler Scholz den nächsten Offenen Brief. In Großbritannien wird gewählt und Eintracht Frankfurt steht kurz vor dem Einzug ins Finale der Europa League. Der F.A.Z.-Newsletter für Deutschland.
Das Wichtigste für Sie am Donnerstag:
1. Mit Flüssiggas unabhängiger von Russland 2. Der nächste Offene Brief an Scholz 3. Prominente wenden sich von Putin ab 4. Ermittlungen gegen Baden-Württembergs Innenminister 5. Nordirland vor der kleinen Revolution 6. Mit dem Bummelzug nach Sylt 7. Deutsches Finale in der Europa League?
Die ersten Arbeiten für ein schwimmendes Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) in Wilhelmshaven sollen in der kommenden Woche in der Nähe des Jade-Weser-Ports beginnen.dpa
1. Mit Flüssiggas unabhängiger von Russland
Heute legt Wirtschaftsminister Habeck den Grundstein für Deutschlands erstes Flüssiggasterminal. Umweltschützer kritisieren das Hauruckverfahren. Das Ölembargo gegen Russland könnte Engpässe auslösen.
Hauruckverfahren: Um aus der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen herauszukommen, soll es nun ganz schnell gehen. Heute will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Wilhelmshaven den Grundstein für Deutschlands erstes Flüssiggasterminal legen. Der Energiekonzern Uniper wird die Anlage betreiben, zum Jahresende soll die Flüssiggas-Einfuhr anlaufen. Die Kapazität der Anlage in Wilhelmshaven beträgt neun Milliarden Kubikmeter – ein Zehntel des gesamten deutschen Gasbedarfs oder ein Fünftel dessen, was bisher aus Russland kam. Insgesamt chartert die Bundesregierung vier schwimmende Terminals – für knapp drei Milliarden Euro.
Bedenken: RWE plant ein Terminal in Brunsbüttel, als weitere Standorte sind Stade, Hamburg-Moorburg und Eemshaven in den Niederlanden im Gespräch. Die Infrastruktur soll später auch für grüne Energieträger genutzt werden können, denn Erdgas gilt nur als Übergangslösung hin zum nicht-fossilen Zeitalter. Umweltschutzverbänden reicht das nicht, sie befürchten einen „umweltpolitischen Blindflug“ in den „extrem sensiblen Ökosystemen Nordsee und Wattenmeer“, wenn die Umweltverträglichkeitsprüfung wegfalle.
Um externe Inhalte anzuzeigen, ist Ihre widerrufliche Zustimmung nötig. Dabei können personenbezogene Daten von Drittplattformen (ggf. USA) verarbeitet werden. Weitere Informationen .
Engpässe? Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein Ölembargo gegen Russland vorgeschlagen. Die Bundesregierung will diesen Schritt nach anfänglichem Zögern mittragen. Eine Frage bleibt ungeklärt: Was passiert mit der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, die weite Teile der neuen Bundesländer und der Hauptstadt versorgt und mehrheitlich dem russischen Konzern Rosneft gehört? Nach Habecks Willen könnte Schwedt von Danzig oder Rostock aus befüllt werden – doch Rosneft hat kein Interesse daran, dass Schwedt fremdes Öl veredelt. „Die Bundesregierung nimmt willentlich in Kauf, dass die Energieversorgung in Berlin und Brandenburg ernsthaft gefährdet wird“, warnt der linke Abgeordnete Klaus Ernst, Vorsitzender des Energieausschusses im Bundestag.
Olaf Scholz hat wieder Post: Die Unterzeichner des zweiten Offenen Briefs sprechen sich für Waffenlieferungen aus.AP
2. Der nächste Offene Brief an Scholz
In einem neuen Offenen Brief fordern 57 Prominente, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen. Sie wenden sich damit gegen den Appell aus der „Emma“, dessen Mitverfasser Reinhard Merkel sich im F.A.Z.-Interview äußert.
Replik: Über den Offenen Brief der 28 Prominenten um Alice Schwarzer, der die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ablehnt, wurde in den vergangenen Tagen hitzig diskutiert. Die 57 Erstunterzeichner des zweiten Offenen Briefs sind gegenteiliger Ansicht: Nur wer die Ukraine mit Waffen unterstütze, sei in der Lage, dem russischen Vernichtungswillen zu begegnen.
Selbstverteidigung: „In den Händen der Angegriffenen sind auch Panzer und Haubitzen Defensivwaffen, weil sie der Selbstverteidigung dienen“, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem in der „Zeit“ am Mittwoch veröffentlicht wurde. Habe Putins „bewaffneter Revisionismus in der Ukraine Erfolg“, wachse die Gefahr, „dass der nächste Krieg auf dem Territorium der NATO stattfindet.“ Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderen vom früheren Grünen-Politiker Ralf Fücks, den Schriftstellern Daniel Kehlmann, Herta Müller und Maxim Biller, dem Verleger Mathias Döpfner und der Historikerin Hedwig Richter.
Widerstand als Unrecht? Unterdessen geht die Diskussion um den ersten Offenen Brief in der „Emma“ weiter. Zu den Mitverfassern gehört der Strafrechtler Reinhard Merkel, der seinen Standpunkt im Interview mit der F.A.Z. verteidigt. Viele Journalisten und Politiker in Deutschland teilten die Illusion, „dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen kann“. Kann also auch der gebotene Widerstand gegen einen Aggressor in Unrecht umschlagen? Reinhard Merkel sagt: „Um es im Gedankenexperiment zuzuspitzen: Wenn der letzte ukrainische Zivilist ums Leben gebracht würde, wäre die Illegitimität eines bis dahin fortgesetzten Widerstands evident.“
Von der „RT“-Chefin als Scheinehe geschmäht: Maxim Galikin mit seiner 27 Jahre älteren Gattin Alla PugatschowaPicture Alliance
3. Prominente wenden sich von Putin ab
Immer mehr Prominente in Russland äußern sich kritisch zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine. In Putins Präsidialverwaltung soll man „beunruhigt“ sein.
Viral: Es kann gefährlich sein, sich gegen die Kremlpropaganda von der „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine zu wenden. Besonders für Russen. Der Komiker und Fernsehmoderator Maxim Galkin tut es trotzdem. Im März reiste er mit seiner Familie nach Israel aus, meldete sich aber weiter auf Instagram zu Wort, um sich gegen den Krieg auszusprechen. Seine Beiträge werden millionenfach aufgerufen, obwohl Instagram in Russland nur noch über eine VPN-Verbindung aufgerufen werden kann.
Gegen den Krieg: Galkin ist nicht der einzige russische Prominente, der sich gegen den Krieg ausspricht. Der Rapper Oxxxymiron hat im Ausland Konzerte gegeben, um Geld für Kriegsflüchtlinge zu sammeln. In Russland wollen die Musikgruppen DDT und Bi-2 nicht auf Bühnen spielen, auf denen das „Z“-Symbol im Hintergrund zu sehen ist – es steht für die Unterstützung des russischen Angriffskriegs.
Staatsfernsehen: Das Nachrichtenportal „Medusa“, ebenfalls nur noch über VPN abrufbar, schreibt unter Berufung auf „drei kremlnahe Quellen“, in Putins Präsidialverwaltung sei man „beunruhigt“ über die Aussagen Prominenter gegen den Krieg. „Künstler, das sind Meinungsführer, sie beeinflussen ihr Publikum, seine ungefestigten Seelen“, sagte einer der Gesprächspartner von „Medusa“. Die Kritiker werden demnach Ziele von Plakataktionen, die sie als Verräter erscheinen lassen, und dürfen nicht mehr auftreten. Auffällig ist jedenfalls, dass die Chefin des Senders RT, Margarita Simonjan, Galkin offen im Staatsfernsehen angriff. Sie warf ihm vor, eine Scheinehe zu führen – allen sei bekannt, „dass er schwul ist“ und „für seine Karriere“ eine „alte Frau“ geheiratet habe.
Thomas Strobl beteuert, es gehe ihm um „maximale Aufklärung und maximale Transparenz“.dpa
4. Ermittlungen gegen Baden-Württembergs Innenminister
In der Affäre um Belästigungsvorwürfe gegen einen ranghohen Polizisten gab Thomas Strobl interne Unterlagen an die Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitet Ermittlungen ein.
Ermittlungen: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Ermittlungen gegen den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) aufgenommen. Er habe ein Anwaltsschreiben aus dem laufenden Verfahren um Vorwürfe der sexuellen Nötigung durch einen ranghohen Polizisten an einen Journalisten weitergegeben. Das interne Schreiben gelangte dann an die Öffentlichkeit. Strobl hatte den Sachverhalt zuvor selbst zugegeben.
Rücktrittsforderungen: Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Strobl nun der Anstiftung gemäß Strafgesetzparagraf 353d, der die Veröffentlichung einer Anklageschrift oder anderer amtlicher Dokumente eines Strafverfahrens verbietet, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurden. Als Strafe ist eine Geldbuße oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vorgesehen. Gegen den Journalisten nahm die Staatsanwaltschaft ebenfalls ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Verstoß gegen diesen Paragrafen auf. Am Mittwoch musste sich Strobl in einer nichtöffentlichen Sitzung des Landtags-Innenausschusses zu den Vorwürfen erklären. Die Opposition forderte seinen Rücktritt.
Vorwürfe: Hintergrund der Ermittlungen sind Vorwürfe gegen den Landespolizeiinspekteur. Der ranghohe Polizist soll in einer Videobesprechung eine Kriminalkommissarin sexuell belästigt haben. Der Beamte war vor seiner Suspendierung bei der Landespolizei für die interne Wertekampagne gegen sexualisierte Gewalt zuständig. Der Fall wurde bekannt, weil die Polizistin die Anzüglichkeiten aufgezeichnet hatte. Die Ermittlungen zu dem Fall übernahm inzwischen die Staatsanwaltschaft. Der Anwalt soll in dem an die Medien durchgestochenen Schreiben Widerspruch gegen die Beurlaubung eingelegt und die Vorwürfe zurückgewiesen haben.
Auch wenn die Sinn Fein gewinnt, wird Michelle O’Neill nicht unbedingt „First Minister“.Reuters
5. Nordirland vor der kleinen Revolution
Mit den Kommunalwahlen in Großbritannien steht ein wichtiger Stimmungstest für den angeschlagenen Premier Boris Johnson an. Die wichtigere Entscheidung fällt aber in Nordirland.
Denkzettel? In Großbritannien werden die heutigen Kommunalwahlen zum Stimmungstest für Boris Johnson. Umfragen zufolge wollen viele Briten dem Premierminister einen Denkzettel verpassen, nicht zuletzt wegen der Affäre um die Lockdown-Partys in der Downing Street. Meinungsforscher rechnen mit herben Verlusten für die Tories, was die Debatte über einen Führungswechsel neu anheizen könnte.
Revolution? In Nordirland wird heute das Parlament in Belfast gewählt. Umfragen zufolge ist mit einer kleinen Revolution zu rechnen. Mit der Sinn Fein könnte erstmals eine auf Wiedervereinigung gerichtete Partei die Wahlen gewinnen. In der politisch fragilen Provinz streben die überwiegend katholischen Nationalisten eine Vereinigung mit der Republik Irland an, die protestantischen Unionisten stehen für einen Verbleib im Vereinigten Königreich. Doch selbst wenn die Sinn Fein, die lange als „politischer Arm“ der IRA galt, stärkste Partei wird, heißt das nicht, dass Michelle O’Neill auch „First Minister“ wird – oder es gar zu einem Referendum um die Wiedervereinigung kommt.
Verfeindet: Gemäß dem Friedensvertrag müssen sich die größte Partei einer Koalition und die größte Partei des rivalisierenden Lagers die Macht teilen. Die Democratic Unionist Party (DUP) jedoch verweigert sich einer Regierungsbeteiligung, solange das Nordirland-Protokoll des Brexit-Abkommens nicht geändert wird. Dies wiederum wird kaum in Belfast entschieden, sondern zwischen London und Brüssel verhandelt. In den vergangenen Jahren wurde Nordirland lange auf Ministerebene verwaltet. Immer wieder zerbrach die Koalition zwischen der DUP und der Sinn Fein.
Auf Sylt sorgt man sich, dass die Strecke zwischen dem Festland und der Insel mit dem Nadelöhr Hindenburgdamm noch stärker frequentiert wird als üblich.Picture Alliance
6. Mit dem Bummelzug nach Sylt?
Bei der Verkehrsministerkonferenz werden die Pläne zur Einführung eines Neun-Euro-Tickets im ÖPNV diskutiert. Die Verkehrsunternehmen warnen vor Überlastung.
Teuer, unzuverlässig und ineffizient: Wer regelmäßig mit der Bahn fährt, klagt auch gern über den Zustand des öffentlichen Nahverkehrs. Von Juni an soll es zumindest günstiger werden, denn die Regierung plant die Einführung eines Neun-Euro-Tickets, um Verbraucher angesichts steigender Energiepreise zu entlasten. Die Idee: Für neun Euro pro Monat können Fahrgäste im Juni, Juli und August unbegrenzt Bahnfahren im Nah- und Regionalverkehr. Doch führt das günstige Ticket am Ende zu noch mehr Überlastung?
Urlaub im Regio? Während sich ÖPNV-Nutzer auf das Neun-Euro-Ticket freuen, fühlen sich die Verkehrsunternehmen überrumpelt. „Wir befürchten überlastete Bahnhöfe, insbesondere an kleinen Bahnhöfen“, warnte Jens Schwarz, oberster Bahn-Betriebsrat. Überall, wo Züge in die Berge oder ans Meer fahren, erwarten Bahn-Arbeitnehmervertreter Probleme. Auch Nordsee-Insel Sylt sieht den erwarteten Ansturm auf die ausgelastete Bahnstrecke mit einiger Sorge.
Verkehrsministerkonferenz: Der Bund finanziert die Aktion mit 2,5 Milliarden Euro. Wichtig sei, dass das Geld rechtzeitig vor Ort ankomme, sagte Frank Zerban, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Schienennahverkehr. Die Details des Neun-Euro-Tickets werden wohl das bestimmende Thema bei der zweitägigen Verkehrsministerkonferenz sein, die heute beginnt.
Sicherer Rückhalt der Eintracht: Kevin Trapp beim TrainingReuters
7. Deutsches Finale in der Europa League?
Heute Abend gegen West Ham United hat Eintracht Frankfurt gute Chancen, ins Finale der Europa League einzuziehen. Möglicherweise treffen die Hessen in Sevilla auf RB Leipzig.
Traum von Sevilla: In der Bundesliga ist in dieser Saison nichts mehr zu holen für Eintracht Frankfurt – im internationalen Geschäft dagegen umso mehr. Heute Abend um 21 Uhr geht es gegen West Ham United im eigenen Stadion um den Einzug ins Finale der Europa League. Nach dem 2:1 im Hinspiel in London reicht der Eintracht ein 0:0 zum Weiterkommen – wobei sich die Anhänger über ein Torfestival natürlich noch mehr freuen würden.
Fans: Anders als vor drei Jahren, als die Eintracht in der Vorschlussrunde am späteren Champion FC Chelsea scheiterte, „fällt nun die Entscheidung auf eigenem Grund und Boden“, sagte Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann. Das Stadion wird mit 50.500 Besuchern ausverkauft sein. Den Anhängern des Gegners wurden 3000 Tickets verkauft. Mindestens die doppelte Anzahl an West-Ham-Fans werde sich insgesamt in der Stadt aufhalten.
Deutsches Finale? Die Chancen auf ein deutsches Finale stehen groß, denn neben Eintracht Frankfurt steht auch RB Leipzig im Finale der Europa League. Ins Rückspiel heute um 21 Uhr gegen die Glasgow Rangers gehen die Sachsen mit einer 1:0-Führung. Torwart Peter Gulácsi mahnte an, dass es in Schottland „sehr schwer und heiß wird“. Der Druck vor dem Endspiel um das Endspiel am 18. Mai in Sevilla ist enorm.
Die Nacht in Kürze
Die Fed hebt den Leitzins um einen halben Prozentpunkt an: Die US-Zentralbank beginnt auch damit, ihr knapp neun Billionen schweres Anleiheportfolio abzubauen. Der geldpolitische Doppelschlag repräsentiert die größte Straffung seit gut 20 Jahren.
Kevin Kühnert findet keinen Vermieter: Der SPD-Generalsekretär findet in Berlin seit mehr als einem Jahr keine neue Bleibe. Möbliertes Vermieten sei eine „Pest“ auf dem Wohnungsmarkt.
In Berlin müssen die Unterhändler von Union und SPD die Ergebnisse ihrer Beratungen abliefern, in Riad verhandeln die USA mit Russland und der Ukraine über eine Waffenruhe, und in Paris steht Gérard Depardieu wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht. Alles Wichtige im F.A.Z.-Newsletter.
Am 26. März 2000 wurde Wladimir Putin Präsident. Von Anfang an herrschte er durch Krieg und Terror. Deutschland schaute weg. Blindheit war ja auch profitabel.