Europäischer Rat zu Gaza : Europa steht geschlossen – jetzt gegen Israel

Europas Regierungschefs fordern von Israel eine sofortige Feuerpause und warnen vor einer Bodenoffensive. Damit haben sich vor allem die Freunde Israels auf dessen Kritiker zubewegt.
Die klare Haltung der Vereinigten Staaten im UN-Sicherheitsrat hat am Donnerstag auch nach Brüssel ausgestrahlt. Am Abend verständigten sich die Staats- und Regierungschefs auf eine gemeinsame Linie zum Krieg im Gazastreifen – es waren die ersten Schlussfolgerungen des Europäischen Rats zu dem Thema seit Ende Oktober. Darin forderten sie, wie Washington, eine „sofortige humanitäre Pause als Voraussetzung für einen humanitären Waffenstillstand“ und warnten Israel vor einer verlustreichen Bodenoffensive in Rafah. „Wir haben uns um Übereinstimmung mit unseren Partnern bemüht“, sagte Ratspräsident Charles Michel anschließend.
In der Sache haben sich die größten Unterstützer Israels – Deutschland, Österreich, Ungarn, die Tschechische Republik – mit dem Text auf jene Länder zubewegt, die Israel schon seit Monaten scharf kritisieren und in die Schranken weisen wollen. Diese Gruppe wird von Spanien, Irland und Belgien angeführt. Der Text trägt vor allem ihre Handschrift. So ist der Europäische Rat „entsetzt angesichts der beispiellosen Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung und der kritischen humanitären Lage“. Er beklagt die „unmittelbare Gefahr einer Hungersnot“ und macht Israel dafür verantwortlich. Verurteilt werden auch der Bau neuer Siedlungen und die Gewalt extremistischer Siedler; dazu werden in Kürze neue Sanktionen verhängt.
Erklärung ist ein „Gesamtkunstwerk“
Dagegen sind die Passagen zu den Palästinensern und insbesondere zur Hamas zurückhaltend. Zwar äußert sich der Europäische Rat „entsetzt über die sexuelle Gewalt während der Angriffe vom 7. Oktober“ und verweist auf zwei Untersuchungsberichte von UN-Sonderberichterstattern dazu. Anders als diese nennt er die Verantwortlichen jedoch nicht beim Namen: die Terroristen der Hamas, des Palästinensischen Dschihads und weiterer Terrorgruppen. Österreich kämpfte vergeblich dafür, die Hamas im Text zu erwähnen. Dies misslang, was damit erklärt wurde, dass es sich bei dem Text um ein „Gesamtkunstwerk“ handle: Man könne nicht an einer Stelle etwas ändern, ohne an anderer Stelle eine neue Debatte zu eröffnen.
Beispielhaft lässt sich das an dieser Passage erkennen: So fordert der Rat „die israelische Regierung eindringlich auf, keine Bodenoperation in Rafah durchzuführen“ – dann folgt aber ein qualifizierender Zusatz, nämlich: „wodurch sich die bereits katastrophale humanitäre Lage verschärfen würde und die Bereitstellung dringend benötigter grundlegender Dienste und humanitärer Hilfe verhindert würde“. Der Rat ist also nicht gegen jeglichen Militäreinsatz, sondern nur gegen einen besonders verlustreichen. Diese eine Konzession konnten die Freunde Israels durchsetzen. „Rafah darf kein sicherer Hafen für Terroristen werden“, sagte ein Diplomat. Allerdings ließen sowohl Michel als auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diese Einschränkung weg, als sie sich nach dem Rat äußerten.