Stichwahl in Iran : Die meisten Iraner boykottieren die Wahl

Die Wahlbeteiligung in Iran ist historisch schlecht. Das Regime bekommt damit die Quittung für das brutale Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung. In der Stichwahl am Freitag geht nun Reformer Peseschkian gegen Hardliner Dschalili ins Rennen.
Die Präsidentenwahl in Iran wird erst am kommenden Freitag in der Stichwahl entschieden. Keiner der Kandidaten erreichte die nötige absolute Mehrheit. Die meisten Stimmen erhielt der moderat-konservative frühere Gesundheitsminister Massud Peseschkian. Er tritt in der Stichwahl gegen den Fundamentalisten Said Dschalili an, der als persönlicher Vertreter des Revolutionsführers derzeit im nationalen Sicherheitsrat sitzt. Parlamentspräsident Mohammad Bagher Ghalibaf landete weit abgeschlagen auf Platz drei, wie das Innenministerium am Mittag mitteilte.
Die meisten wahlberechtigten Iraner gaben jedoch keinem der Kandidaten ihre Stimme. Rund 60 Prozent blieben der Wahl fern. Das ist die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik. Das Regime bekommt damit die Quittung für das brutale Vorgehen gegen die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung im Jahr 2022 mit mehr als 500 Toten, mindestens acht Hinrichtungen und Tausenden Festnahmen und Folteropfern. Die Erwartung der Führung, dass mit der Zulassung des moderateren Kandidaten Peseschkian mehr Wähler mobilisiert werden, hat sich damit nicht erfüllt. Der Graben zwischen Regime und Bevölkerung scheint weiter unüberbrückbar.
Für die Stichwahl am kommenden Freitag gibt es zwei Szenarien: Wenn der radikale Ideologe Dschalili gewinnt, bedeutet das eine weitere Verhärtung des Systems. Dschalili ist die Gallionsfigur der sogenannten Stabilitätsfront. Das sind Ultrahardliner, die in den vergangenen Jahren ihren Einfluss in der Revolutionsgarde, im Parlament und anderen Gremien stetig ausgebaut haben. Sie verlangen ein harsches Vorgehen gegen Frauen ohne Kopftuch und eine kompromisslose Haltung gegenüber dem Westen. Wenn Peseschkian gewinnt, wird der Ton in Teheran moderater. Er hat aber wenig Möglichkeiten, seine Vorstellungen gegen den Widerstand der Hardliner durchzusetzen. Wenn sein Sieg zugelassen wird, könnte das aber auch bedeuten, dass die Führung hinter den Kulissen weitere Verhandlungen mit dem Westen anstrebt und sich womöglich Vorteile davon verspricht, dass Peseschkian weniger ideologisch auftritt.