Urteil gegen Grasser :
Eine Zäsur für Österreich

Stephan Löwenstein
Ein Kommentar von Stephan Löwenstein
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Schuldig im Sinne der Anklage: Karl-Heinz Grasser (Mitte) am Freitag in Wien
Karl-Heinz Grasser war korrupt – als wichtigster Minister in den Kabinetten der früheren Regierung Schüssel. Seine Verurteilung ist wichtig für das Land.

Karl-Heinz Grasser, der wichtigste Minister in den Kabinetten der einstigen schwarz-blauen österreichischen Regierung unter Wolfgang Schüssel, war korrupt. Das hat jetzt der Schöffensenat des Wiener Straflandesgerichts festgestellt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und dürfte wohl angefochten werden. Trotzdem bedeutet es schon jetzt eine Zäsur für Österreich. Nicht alles, was jene Regierung getan hat, erscheint durch das Urteil in schlechtem Licht. Aber die seit langem schwelenden Zweifel an großen Privatisierungs- und Beschaffungsentscheidungen, die über den Schreibtisch des damaligen Finanzministers gingen, stehen nun auf der Grundlage eines ordentlichen Urteils und nicht der Spekulationen.

Grasser war ein Gefolgsmann Jörg Haiders, jenes schillernden Rechtsaußen-Politikers der Rechtsaußen-Partei FPÖ. Ein noch junger Politiker wie so manche in Haiders Gefolgschaft, mit schneidigem Äußerem und glamourösem Auftreten. Schnell wurde er zum Liebling des Boulevards. Aber auch Schüssel war nicht unempfänglich: Nicht nur von den Umfragewerten, so darf man unterstellen, denn da war der ÖVP-Chef mit der Fliege relativ schwer zu beeindrucken, sondern auch von dem Schwung, mit dem Gasser einen Ausweg aus immer neuen Neuverschuldungs-Haushalten einschlug.

Als die FPÖ in inneren Turbulenzen versank, wurde Grasser zum Mann der ÖVP. Dass er dann durch Interventionen anderer Parteigranden doch nicht in der betulichen christlich-demokratischen Volkspartei reüssierte, dafür konnte sich die ÖVP schon lange vor dem Urteil vom Freitag gratulieren. Ein Mann, der eine halbe Million Euro in einem Koffer von einem Parkplatz in der Schweiz nach Wien trägt, wäre nicht ein Mann für seriöse Politik gewesen, egal ob das Geld nun von seiner Schwiegermutter stammte, wie er selbst behauptete, oder der Korruption dienen sollte.

Das Urteil ist auch wichtig für die überfällige Befriedung der durch Parteilichkeitsvorwürfe und Eifersüchteleien gespaltenen österreichischen Justizbehörden. Denn das jahrelange Verfahren und die noch viel mehr Jahre dauernde mediale Behandlung des Falles haben einen langen Schatten geworfen. Es gab nicht nur Zweifel über den Ablauf der Vorgänge vor zwanzig Jahren, um die es geht, sondern auf der anderen Seite auch Zweifel über ein Ermittlungsverfahren, das sich endlos hinzog und aus dem gleichzeitig immer wieder Einzelheiten und Dokumente in die Medien gelangten und Grassers Klagen über eine Vorverurteilung Nahrung gaben. Allein ein penibel und ordnungsgemäß verlaufendes Gerichtsverfahren konnte dazu beitragen, diese Zweifel zu beseitigen. Auch die Angeklagten hatten in ihren Plädoyers am Ende bestätigt, dass diese Bedingung erfüllt worden sei.

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