Bürgerschaftswahl in Hamburg : Wahlkampfauftakt mit überraschend viel Verve
Hamburg gleicht einer Insel. Der Bundestrend hat es bisher nicht in die Hansestadt geschafft. Die SPD kommt einer jüngsten Umfrage zufolge auf 31 Prozent. Das ist fast doppelt so viel wie im Bund. Bei den Grünen sieht es ähnlich aus. Die liegen in Hamburg bei 22 Prozent – im Bund bei zwölf. Bleibt es dabei, könnten SPD und Grüne nach der Bürgerschaftswahl am 2. März ihre Senatsregierung mit komfortabler Mehrheit fortsetzen.
Doch auch wenn in der Stadt bald gleich zweimal kurz nacheinander gewählt wird – von Wahlkampf war bisher wenig zu spüren. Am Mittwochabend aber ging es damit los. Da diskutierten zum Auftakt die drei Spitzenkandidaten von SPD, CDU und Grünen im Börsensaal der Handelskammer miteinander: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) sowie der CDU-Vorsitzende Dennis Thering. Sie taten das in wechselnden Kombinationen. Auf drei „Duelle“ folgte ein „Triell“. Und sie taten es mit überraschend viel Verve.
Von Thering, dem einzigen Oppositionspolitiker in der Runde, ist man bissige Angriffe gewohnt. Folgt man seiner Argumentation, die er auch am Mittwochabend vortrug, liegt in Hamburg vieles im Argen: Am Hauptbahnhof gebe es eine „massive Zunahme von Drogenkriminalität“, die Stausituation in der Stadt sei „schwer erträglich“, die Wirtschaft in Bedrängnis. Tschentscher und Fegebank widersprachen, nannten die Stadt „Frontrunner“ im Wirtschaftsbereich und auf der „richtigen Spur“ beim Thema Sicherheit (Tschentscher) sowie einen Ort, an dem die Staubelastung zurückgehe und die Mobilitätswende wirke (Fegebank).
Tschentscher ist sehr beliebt
Der gewöhnlich stets ruhig und analytisch argumentierende Tschentscher zeigte sich im „Duell“ mit Thering beinahe aufgebracht. Vor allem beim Thema Sicherheit. Der CDU in Hamburg warf er vor, der Senatsregierung beim Messerverbot in den „Rücken gefallen“ zu sein. Im Bund wiederum habe die Union ein „schweres Foul“ begangen, indem sie das Sicherheitspaket der Ampelkoalition abgelehnt hatte. Thering widersprach: Die Senatsregierung habe sich beim Thema Sicherheit erst jetzt kurz vor der Bürgerschaftswahl bewegt, der Gesetzesvorschlag der Ampel im Bund sei „wachsweich“ gewesen.
Tschentscher regiert die Stadt seit 2018, da folgte er Olaf Scholz (ebenfalls SPD) als Erster Bürgermeister nach, zuvor war er Finanzsenator. Seit Längerem übt er sich in einem Spagat. Einerseits wahrt er eine gewisse Distanz zur Regierung in Berlin – so kritisierte er etwa scharf deren Entscheidung, Cannabis zu legalisieren. Gleichzeitig zeigt er sich loyal gegenüber seinem früheren Chef Scholz, der in Hamburg Anfang Februar für seine Sozialdemokraten als Wahlkämpfer auftreten wird, und verteidigte die Ampel immer wieder.
Hamburg steht im bundesweiten Vergleich sehr gut da. Der Zuzug ist enorm, die Verschuldung sinkt seit Jahren, die Wirtschaft brummte lange, auch wenn die Situation nun schwieriger wird. Mit der rot-grünen Senatsregierung, die weitgehend geräuschlos agiert, sind viele der befragten Bürger zufrieden. Beliebt ist den Umfragen nach vor allem Tschentscher. Könnten die Bürger den Ersten Bürgermeister direkt wählen, würden 44 Prozent von ihnen für Tschentscher stimmen; Fegebank wie Thering erhielten 16 Prozent.
Fegebank verbietet sich „Ausschließeritis“
Therings CDU steht gemäß einer jüngsten Umfrage bei 17 Prozent. Das ist zwar deutlich mehr als bei der vergangenen Bürgerschaftswahl, da waren es nur 11,2 Prozent. Doch ein zwischenzeitlicher Aufwärtstrend, der die CDU im vergangenen Jahr auch über die Zwanzig-Prozent-Marke und auf Augenhöhe der Grünen schob, scheint vorbei. Gefragt, warum der Zuspruch für die CDU im Bund ihm keinen Rückenwind gebe, antwortete Thering ausweichend. Die CDU sei im Bund und auch in Hamburg gut aufgestellt, „am Ende zählen keine Umfragen, sondern Ergebnisse“. Tschentscher sagte zu dem Thema, Rückenwind erhalte er selbst aus Berlin nicht gerade. Aber wichtig sei doch: Auch nach der Bundestagswahl seien viele der gegenwärtigen Probleme noch vorhanden, etwa bei der Infrastruktur, dem Sanierungsstau, dem Klimaschutz und dem russischen Angriffskrieg.
Derzeitigen Umfragen nach hätte Rot-Grün in Hamburg eine klare Mehrheit. Folgt man Tschentscher, ist die Fortsetzung der Koalition sehr wahrscheinlich. Die vergangenen 14 Jahre unter Rot-Grün hätten die Stadt „sehr vorangebracht“, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister. Thering und seine CDU stellte Tschentscher als wechselhaft und unseriös dar, der Hamburger CDU-Chef stelle „falsche Dinge in den Raum“; „ich weiß einfach nicht, wie es mit dieser CDU gehen sollte“. Gefragt, wie es sei, nun gegen seine Senatskollegin Fegebank anzutreten, antworte Tschentscher: Man trete ja gar nicht gegeneinander an, sondern parallel zueinander. Fegebank wiederum vermied bei allem Lob für das gemeinsame Regieren eine Koalitionsaussage und verbat sich jegliche „Ausschließeritis“.