Nach Urteil zu Tübingen : Neuer Anlauf für Steuer auf To-go-Becher
Die Uni-Stadt an der Lahn will ihre zwischenzeitlich fast in Vergessenheit geratene Verpackungssteuer wieder aufleben lassen. Sie hatte 1995 unter einer rot-grünen Koalition eine solche Steuer schon einmal eingeführt. Gießen nahm mit Kassel eine Vorreiterrolle in dieser Sache ein. Allerdings gab die Stadt sie drei Jahre später wieder auf. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte kurz zuvor die vergleichbare Kasseler Steuer für nichtig erklärt. Nun aber hat sich die Rechtslage geändert. Grund ist abermals ein Beschluss des höchsten deutschen Gerichts: Der Erste Senat in einem Rechtsstreit mit einer Franchise-Nehmerin einer Fast-Food-Kette der Stadt Tübingen recht gegeben. Anders als noch im Urteil von 1998 sehen die Richter keine Hürden mehr für kommunale Steuern auf Einwegverpackungen.
Wie eine Sprecherin der Stadt Gießen der F.A.Z. mitteilte, hat der Magistrat die Verwaltung im Lichte der neuen Karlsruher Linie mit einem Konzept für eine neue Verpackungssteuer beauftragt. Sie verwies zudem auf einen Stadtverordnetenbeschluss. In der Stadt steht schon seit Jahren in Rede, die Steuer wieder einzuführen. Umweltdezernentin Gerda Weigel-Greilich (Die Grünen) hatte im Frühsommer 2020 einen Anstoß dazu gegeben, aber umgehend Widerspruch erfahren. Die FDP gab seinerzeit zu bedenken, der Handel sei durch die Folgen der Corona-Pandemie schon stark belastet. Andererseits schwoll in der Corona-Phase das Aufkommen an Verpackungen von Lieferdiensten und an Wegwerf-Bechern für Kaffee stark an, nicht zuletzt in Grünanlagen.
Einst 40 Pfennig je Einwegbecher fällig
Die Fraktion Gigg/Volt stellte deshalb im Juli 2021 einen Antrag an die Stadtverordnetenversammlung mit dem Ziel, der Magistrat möge die Wiedereinführung der Verpackungssteuer prüfen. Der Antrag fand eine Mehrheit und sah zudem ein Konzept vor, die Abkehr von Einweglösungen durch die Gastronomie zu fördern. Dieses Verfahren kam aber wegen der Klage der Fast-Food-Unternehmerin gegen die Tübinger Steuer nicht richtig in Gang. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Mai 2023 in der Sache brache auch keine abschließende Klarheit, denn die unterlegene Franchise-Nehmerin legte Verfassungsbeschwerde dagegen ein.
Das Bundesverfassungsgericht hat diesem Streit nun ein Ende gesetzt und verweist auf Änderungen im Abfallrecht seit 1998. Aus den geltenden Regeln lasse sich nicht mehr herleiten, die Vermeidung und Verringerung von Müll solle vorrangig durch eigenverantwortliches Zusammenwirken der Wirtschaft erreicht werden und folglich nicht zuerst durch ordnungsrechtliche Vorgaben wie eine kommunale Verpackungssteuer. Gigg/Volt sieht sich nun bestätigt. Die südwestdeutsche Uni-Stadt sei etwa so groß wie Gießen und nehme durch die Steuer rund eine Million Euro ein, die sie für Grünanlagen und den Umweltschutz ausgebe. Wie hoch die Einnahmen in Gießen sein könnten, ist noch unklar. 1998 hatte die Stadt 40 Pfennig je Einweg-Becher und Teller verlangt.