Vermüllung :
Die Tübinger Verpackungssteuer ist verfassungskonform

Von Katja Gelinsky, Berlin
Lesezeit: 4 Min.
Tübingen gelingt es, mit einer Abgabe die Mehrwegquote in der Stadt zu erhöhen.
McDonald’s unterliegt im Verfassungsstreit zu Kommunalsteuern auf Einweg. Tübingen darf eine solche Steuer erheben. Der Städtetag warnt vor einem Flickenteppich und fordert eine bundesweite Regelung.
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McDonald’s ist im Streit um die Tübinger Verpackungssteuer auf Einweg vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die Verfassungsbeschwerde einer Tübinger McDonald’s-Franchisenehmerin sei unbegründet, teilte das Karlsruher Gericht am Mittwoch mit. Das Bundesverfassungsgericht ebnet Städten und Gemeinden damit den Weg für kommunale Steuern auf Einwegverpackungen. Die Tübinger Steuer sei nicht zu beanstanden, befand der Erste Senat schon im November vergangenen Jahres (Beschluss vom 27. 11. 2024, Az: 1 BvR 1726/23).

Einen Widerspruch der kommunalen Verpackungssteuer zur abfallrechtlichen Gesamtkonzeption des Bundes sah das Bundesverfassungsgericht nicht mehr – anders als in einer Entscheidung des Zweiten Senats gegen eine Verpackungssteuer der Stadt Kassel im Jahre 1998. Der Erste Senat verwies auf Änderungen des Abfallrechts. Aus den geltenden Regelungen lasse sich nicht mehr herleiten, dass die Vermeidung und Verringerung von Abfall vorrangig durch das eigenverantwortliche Zusammenwirken der Wirtschaft erreicht werden solle und damit nicht primär durch ordnungsrechtliche oder individuelle Maßnahmen.

Damals habe der Gesetzgeber noch festgelegt, dass die abfallrechtlichen Ziele erst bei einem Scheitern der kooperativen Bemühungen ordnungsrechtlich durchgesetzt werden durften, um „Insellösungen“ zu vermeiden. Eine solche Klausel gebe es nun aber nicht mehr, stellen die Richter klar. Vielmehr setze das aktuelle Abfallrecht nun auch auf wirtschaftliche Anreize zur Verminderung von Verpackungsabfall. Solche Anreize seien den Lenkungswirkungen der Verpackungssteuer vergleichbar.

440 steuerpflichtige Betriebe

In Tübingen gilt seit Januar 2022 eine Steuer auf Einweggeschirr und -besteck für Essen und Getränke zum sofortigen Verzehr und zum Mitnehmen. Steuerpflichtig sind rund 440 Betriebe: Schnellrestaurants, Imbisse, Cafés, Bäckereien sowie Tankstellen mit Getränke- und Snackangebot. Die Steuer darf über den Verkaufspreis finanziert werden. Je Becher oder Schale sind 50 Cent fällig, für Einwegbesteck sowie Trinkhalme 20 Cent. Die Tübinger Stadtverwaltung rechnet mit Einnahmen in Höhe von 800.000 Euro im Jahr.

„Die Verpackungssteuer wirkt, bringt Mehrweg-Lösungen voran und drängt die Müllflut im Stadtbild ganz wesentlich zurück“, versicherte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Die Zahl der Betriebe, die Mehrwegverpackungen ausgeben, habe sich innerhalb von fünf Jahren vervierfacht. „Wir wissen von vielen Städten, dass sie nur auf das Urteil gewartet haben, um ebenfalls eine Verpackungssteuer nach dem erfolgreichen Tübinger Vorbild auf den Weg zu bringen. Dafür ist jetzt der Weg frei“, sagte der frühere Grünen-Politiker.

McDonald’s Deutschland kritisierte den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Insellösungen und kommunal individuelle Verpackungssteuern wie in Tübingen seien insbesondere für landesweit tätige Unternehmen „nicht darstellbar“. Sie führten zu überbordender Bürokratie, Wettbewerbsverzerrungen und zusätzlicher finanzieller Belastung für die bereits gebeutelte Gastronomie und deren Gäste. Es sei bedauerlich, dass mit der Karlsruher Entscheidung in wirtschaftlich fragilen Zeiten „nicht nur unseren mehr als 200 Franchise-Nehmenden, allesamt mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer, sondern der gesamten Gastronomiebranche weitere Planungsunsicherheiten zugemutet werden“, beklagte McDonald’s Deutschland.

Gericht prüfte Kompetenz der Kommune zur Steuergesetzgebung

Die klagende Betreiberin der Tübinger McDonald’s-Filiale hatte unter anderem argumentiert, Tübingen fehle es an der Steuergesetzgebungskompetenz. Diese stehe den Kommunen nur bei „örtlichen“ Verbrauch- und Aufwandsteuern zu. Die Tübinger Verpackungssteuer erfasse aber auch den Verkauf von Getränken und Gerichten zum Mitnehmen. Dazu schreibt der Erste Senat, das Merkmal der „Örtlichkeit“ könne auch bei Speisen und Getränken gegeben sein, die nicht zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmt sind, und zwar dann, „wenn der Verbrauch typischerweise im Gemeindegebiet erfolgt“. Das sei bei Gerichten und Getränken zum Mitnehmen der Fall, die „auf die Schnelle“ verzehrt würden.

Auch das Argument der Franchisenehmerin, die Verpackungssteuer verletze sie in ihrer Berufsfreiheit, da der Restaurantbetrieb deswegen in der Regel keinen Gewinn mehr abwerfe, überzeugte die Verfassungsrichter nicht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass durchschnittlich erstragsstarke Betriebe im Gebiet der Universitätsstadt Tübingen durch die Verpackungssteuer zur Geschäftsaufgabe gezwungen würden, heißt es in dem Beschluss.

Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände begrüßten die Karlsruher Entscheidung für die Verpackungssteuer einhellig. „Damit werden im Ergebnis die kommunalen Handlungsspielräume im Kampf gegen die Vermüllung der Innenstädte und der Umwelt durch Einwegverpackungen sinnvoll gestärkt“, lobte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger. Städte und Gemeinden wendeten jährlich bis zu 700 Millionen Euro für die Sammlung und Reinigung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze auf. „Hier brauchen wir eine Trendumkehr“, forderte Berghegger.

Einführung in weiteren Kommunen ist absehbar

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, rechnet damit, „dass nun mehr Städte eine Verpackungssteuer lokal einführen werden“. In Deutschland würden jede Stunde rund 320.000 Einwegbecher für Heißgetränke verbraucht. Diese „Wegwerfkultur“, die für die Städte viel Müll und hohe Entsorgungskosten bedeute, gelte es zu stoppen. Der Städtetag würde jedoch eine bundesweite Regelung gutheißen. „Dafür werden wir bei einer neuen Bundesregierung werben“, sagte Dedy.

Auch der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) ist überzeugt, „dass das Littering von Einwegprodukten besser mit Instrumenten des Bundesrechts bekämpft werden sollte“, wie Uwe Feige, VKU-Vizepräsident und Werkleiter des Kommunalservice Jena, sagte. „Denn die Kommunen werden wohl in höchst unterschiedlicher Weise vom Instrument der kommunalen Verpackungssteuer Gebrauch machen, womit ein unübersichtlicher Flickenteppich droht.“ Feige empfahl, den bundesweiten Einwegkunststofffonds weiterzuentwickeln, der Hersteller von Einwegkunststoffprodukten wirksam belaste und die kommunale Stadtreinigung zielgenau unterstützen könne.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, stellte den Richterspruch zur Verpackungssteuer in den Kontext von Karlsruher Entscheidungen zur Bettensteuer und zu Polizeigebühren bei Hochrisikoveranstaltungen, welche die kommunale Gestaltungsfreiheit stärkten. „Damit ist zwar ein gewisses Einnahmepotential verbunden, im Vordergrund steht aber eine Verhaltenssteuerung, die der örtlichen Gemeinschaft zugutekommt“, sagte Henneke. Die Finanznot der Kommunen würde damit nicht spürbar gelindert.

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