Bertelsmann : Out of Gütersloh
Plötzliche Führungswechsel haben im Hause Bertelsmann fast schon Tradition. Seit dem Rückzug des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn hat kaum ein Vorstandsvorsitzender in geordneter Manier das Ruder übergeben. Auch der nun angekündigte Wechsel an der Spitze des Gütersloher Medienkonzerns war so nicht geplant. Aber in diesem Fall scheinen andere Gründe als tatsächliches oder vermeintliches Managementversagen für den überraschenden Stabwechsel verantwortlich zu sein. Hartmut Ostrowski hat selbst die Reißleine gezogen. Der 53 Jahre alte Westfale, der Bertelsmann seit 2008 führt und fast sein gesamtes Berufsleben in Gütersloh gearbeitet hat, fühlt sich offenbar ausgelaugt und erschöpft - so erschöpft, dass er aus Sorge vor einem drohenden Burn-out lieber den Rückzug antritt.
Der Wechsel könnte für Bertelsmann zum Vorteil werden
So ungeplant der Wechsel - Bertelsmann könnte er am Ende sogar zum Vorteil gereichen. Nicht etwa, weil Ostrowski schlechte Arbeit geleistet hätte. Er hat den Konzern, der wegen des großen Einflusses der Familie Mohn eigenen Gesetzen gehorcht, mit Bedacht und der notwendigen Härte durch das Krisenjahr 2009 geführt. Insofern ist die zweistellige Rendite, die Bertelsmann schon im vergangenen Jahr erreicht hat, auch sein Verdienst. Aber ob Ostrowski auch ein Mann ist, der nach Abschluss der Konsolidierung über die verschiedenen Konzernsparten hinweg starke Wachstumsimpulse setzen kann - diesen Beweis ist er bis zuletzt schuldig geblieben.
Der Neue will seine Lust am operativen Geschäft ausleben
Ostrowski ist ein Zahlenmensch, der in der schillernden Medienwelt zuweilen wie ein Fremdkörper wirkte. Sein designierter Nachfolger Thomas Rabe bewegt sich hier sehr viel leichter. Der gebürtige Luxemburger spricht fünf Sprachen und diskutiert liebend gern über strategische Fragen, obwohl er als scharfer Rechner bisher vor allem die Gewinn- und Verlustrechnung verantwortete. Schon bei seiner Vertragsverlängerung im Januar dieses Jahres hatte sich Rabe neue Handlungsspielräume verschafft, um seine Lust am operativen Geschäft stärker ausleben zu können. Als Aufsichtsratsvorsitzender der BMG Rights Management ist der promovierte Ökonom maßgeblich am Wiederaufbau des Musikgeschäfts beteiligt. Aus seiner früheren Arbeit als Finanzchef von RTL weiß er um die Wachstumsoptionen, die im wichtigen Fernsehgeschäft lauern. Ob die übrigen Vorstände im vorgeblich dezentral verfassten Bertelsmann-Gebilde aber fortan genauso viel Freiraum haben wie unter Ostrowski, ist fraglich.