Zahlen von Airbus :
Der Flugzeugmangel hält an

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Vorhang auf: ein Airbus A320 Neo in Indien
Nach wie vor warten Airlines händeringend auf neue Maschinen. Neue Zahlen von Airbus zeigen, wie gelähmt die Luftfahrtindustrie bleibt.
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Fast fünf Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie steht die globale Luftfahrtindustrie immer noch nicht da, wo sie einmal war. Das Passagieraufkommen hat sich zwar erholt. Jüngsten Schätzungen zufolge wurde 2024 auf der ganzen Welt so viel geflogen wie noch nie. Auch deutet viel darauf hin, dass das Aufkommen weiter wächst. Deshalb, zur Treibstoffersparnis und wegen schärferer Klimaschutzauflagen haben Airlines zuletzt in Rekordumfang in neue Flugzeuge investiert.

Doch nach wie vor plagen die Industrie Produktionsschwierigkeiten, von den hausgemachten Problemen beim US-Hersteller Boeing ganz zu schweigen. Fehlende Bauteile von Rumpfelementen über Kabinenprodukte bis hin zu ganzen Triebwerken verzögern die Fertigstellung neuer Flugzeuge. Das begrenzt die Ausweitung des Flugangebots und verstärkt damit den Preisauftrieb auf Endkundenseite. „Die nächsten Jahre werden immer Flugzeuge fehlen“, hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr unlängst gesagt. Vor allem in den USA bleibt die Lieferkette fragil. Dort wurden zu Beginn der Pandemie besonders viele Fachkräfte vor die Tür gesetzt, die nun in anderen Branchen arbeiten.

800 Flugzeuge waren mal geplant

Die Auslieferungszahlen für 2024, die Boeings europäischer Erzrivale Airbus am Donnerstagabend vorgelegt hat, sind Spiegelbild dieser anhaltenden Lähmung. 766 Zivilflugzeuge waren es unterm Strich. Das sind nur dann bloß vier weniger als geplant, wenn man die Zielkorrektur von Juni zum Maßstab nimmt. Anfang 2024 hatte Airbus noch die Auslieferung von 800 neuen Flugzeugen geplant – und Airlines damit mehr versprochen, als man aufgrund der Produktionsengpässe halten konnte.

Airbus nennt das Marktumfeld weiterhin „komplex“. „Wir erhöhen die Produktion nicht so stark, wie es unsere Kunden wünschen“, räumte der Chef der Zivilflugzeugsparte, Christian Scherer, im Gespräch mit Journalisten ein. Mit der weit überwiegenden Zahl der Zulieferer gebe es keine Probleme. Einige wenige reichten aber eben, um den Bau eines so komplexen Produkts wie eines aus rund drei Millionen Teilen bestehenden Flugzeugs zu verzögern. Kurzfristige Besserung erwartet Scherer nicht. Das Umfeld bleibe „sehr schwierig“.

Die Auftragsbücher sind voll

Der ruckelige Produktionshochlauf verärgert nicht nur die Fluggesellschaften, sondern vermiest Airbus auch das Geschäft. Davon, Ende 2024 nahezu 8700 Bestellungen in den Auftragsbüchern stehen zu haben – was die Fertigungskapazitäten rechnerisch mehr als zehn Jahre lang auslasten würde –, kann sich der Konzern wenig kaufen. Traditionell fließt in der Flugzeugindustrie erst bei der Auslieferung der Großteil des Kaufpreises. Ein Gewinnsprung ist zur Vorstellung der Jahresbilanz im Februar also nicht zu erwarten, zumal auch die Rüstungs- und Raumfahrtsparte wegen des defizitären Satellitengeschäfts auf Airbus lastet.

Erst im Februar soll ein Auslieferungsziel für dieses Jahr genannt werden. Setzte sich die Wachstumsrate von rund vier Prozent von 2023 auf 2024 fort, wäre man bei 800 Flugzeugen. Exakt so viele hatte Airbus 2018 ausgeliefert, dem bislang letzten Jahr, in dem Boeing mit 806 noch die Nase vorne hatte, ehe die Problemkaskade der Amerikaner ihren Lauf nahm. 2019 schloss Airbus dann mit dem in der Auslieferungshistorie der beiden Rivalen Rekordwert von 863 Flugzeugen ab. Es folgte ein Absturz, von dem sich die Industrie bis heute nicht erholt hat. Zumal Boeing wegen seiner Sorgenkinder 777 und 787 noch weniger produziert und ausliefert, als es pandemiebedingt ohnehin der Fall gewesen wäre.

Vorzeigbarer Jahresendspurt

Immerhin: Der Jahresendspurt von Airbus war mit 123 Auslieferungen im Dezember wie schon in den Vorjahren vorzeigbar. Das dürfte den Unmut auf Airlineseite zumindest nicht noch größer werden lassen. Mit 826 Nettobestellungen schwollen die Auftragsbücher von Airbus 2024 auch nicht noch mal in so großem Maße an wie im Jahr davor. Der Aktienkurs legte am Freitag leicht zu und notiert rund 25 Prozent höher als Anfang Oktober, als sich die Aussichten auf eine Normalisierung der Lieferketten besonders verdüstert hatten. Beim Börsenwert liegen die Europäer inzwischen praktisch gleichauf mit dem Rivalen aus den USA. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Boeing traditionell viel mehr Geld mit dem Rüstungsgeschäft verdient.

Airbus-Manager Scherer betonte, dass der geplante Produktionshochlauf Stand jetzt nicht noch ein weiteres Mal nach hinten verschieben werden müsse. „Ich bin zuversichtlich, dass wir auf einem Aufwärtstrend sind“, sagte er. Man plane weiterhin, 2027 wieder jährlich 75 Exemplare der beliebten Mittelstreckenbaureihe A320 zu produzieren. „Ich sehe keinen Grund, dass dies kein realistisches Ziel ist“, erklärte Scherer. Nicht bestätigen wollte er allerdings, dass damit auch eine Rückkehr zum Vor-Corona-Niveau von 863 Auslieferungen verbunden sein wird. „Mit den Daten, die wir heute haben, zeichnet sich eine Art Normalisierung in den Jahren 2027/2028 ab“, hatte der Manager im Oktober gesagt.

Um von neuen Problemen auf der Zuliefererseite nicht kalt überrascht zu werden, hat Airbus einen „Supplier Watchtower“ eingerichtet, hob Scherer einmal mehr hervor. Mit dieser Überwachungsplattform blickt der Konzern tief hinein in die Lieferketten, um möglichst schon beim Zulieferer vom Zulieferer vom Zulieferer frühzeitig Störungen zu erkennen. Daneben läuft im Zivilflugzeugbau seit einigen Monaten ein Programm zur Optimierung interner Prozesse. Es gehe darum, „fitter“ zu werden, so Scherer.

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