Projekt „Stargate“ :
Wie Europa auf Trumps Milliarden-KI reagieren sollte

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Portal in eine neue Welt? Trump mit Softbank-Chef Masayoshi Son und Sam Altman von Open AI
Amerikanische Firmen wollen 500 Milliarden Dollar in KI stecken. Deutsche Experten erklären, ob mehr Geld klügere Maschinen bringt – und wie eine „strategisch skrupellose“ Antwort Europas aussehen könnte.
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Entsteht in Texas gerade das Portal zu einer anderen Welt? Das lässt nicht nur der Name „Stargate“ vermuten, der auf den gleichnamigen Film aus dem Jahre 1994 anspielt. Dort geht es um ein ebensolches Portal. Aber auch die konkreten Pläne von Open AI – einem der Unternehmen hinter dem Projekt – weisen in diese Richtung. Stargate sei ein Schritt hin zur viel beschworenen „Künstlichen Allgemeinen Intelligenz“, jener Vision einer KI, die jede intellektuelle Aufgabe so gut meistert wie wir Menschen. Eine Welt, in der die Maschinen so clever sind wie wir, wäre nun wirklich eine andere. Doch ist Stargate wirklich das Portal dorthin?

Die Zahlen wirken beeindruckend. Mit dem Projekt wollen Open AI, der Softwaregigant Oracle, die japanische Firma Softbank und weitere Unternehmen zunächst 100 Milliarden in KI „made in USA“ investieren. Binnen vier Jahren soll der Betrag auf 500 Milliarden Dollar anwachsen. Alles privates Geld. Aber Donald Trump versprach vergangene Woche bei der Vorstellung, mit Dekreten zu helfen. Über die anwesenden Firmenbosse sagte er: „Sie benötigen viel Strom, und wir werden dafür sorgen, dass sie die Produktion hinbekommen – wenn sie wollen, sogar mit eigenen Kraftwerken.“

Vergleichbar mit dem Manhattan-Projekt

Die Summe entspricht 1,6 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts. Das macht Stargate vergleichbar mit dem Manhattan-Projekt zur Entwicklung der Atombombe. Da es sich um ein Infrastrukturprojekt handelt, sind andere Vergleiche passender. Der Branchenkenner Azeem Azhar stellt Stargate den Ausbau des britischen Eisenbahnnetzes im 19. Jahrhundert gegenüber, der jährlich sieben Prozent des BIP verschlang. So gesehen ist Stargate alles andere als beispiellos.

Was kann man für dieses Geld kaufen? „Damit könnte man ein Unternehmen gründen, das von den Zahlen her 20-mal größer ist als Open AI“, sagt Philipp Hennig, Professor für Methoden des Maschinellen Lernens an der Universität Tübingen, im Gespräch mit der F.A.Z. Doch wie viel cleverer die KI dadurch werden kann, ist schwer zu sagen.

Plumpe Skalierung stößt an ihre Grenzen

Die Systeme können heute schon mathematische Rätsel lösen, Standardtests für Ärzte und Anwälte bestehen, teils erfolgreich Diagnosen stellen und Witze schreiben. Sie beherrschen Sprache, erkennen Bilder und können sich als „Agenten“ im Internet zurechtfinden. Darin wurden sie in den letzten Jahren immer besser, und einige Zeit sah es so aus, als müsste man nur größere und aufwendigere Modelle bauen, um ihre Fähigkeiten zu steigern. Doch je besser sie werden, desto teurer wird es, sie weiterzuentwickeln. Hennig erklärt, dass die Verbesserung der Fähigkeiten der Modelle im Verhältnis zur nötigen Rechenleistung abflacht. „Wenn Sie die Fähigkeiten Ihres Modells verdoppeln wollen, müssen Sie es achtmal größer machen“, sagt er.

Jede Verbesserung muss daher erkauft werden. Die plumpe Skalierung im Sinne von mehr Rechenleistung stößt damit an ihre Grenzen. Die Vermutung liegt daher nahe, dass es im Projekt Stargate nicht nur um größere KI-Modelle gehen wird. Zumal Trump bei der Präsentation ausdrücklich auf China als Konkurrenten eingegangen ist – und dort hat das KI-Start-up Deepseek diese Woche erst ein Modell vorgestellt, das angeblich mit GPT von Open AI konkurrieren kann, aber nur einen Bruchteil der Kosten verursacht. Prompt brach der amerikanische Technologieindex Nasdaq um 3,6 Prozent ein.

Mehr Rechenleistung ermöglicht schnellere Forschung

Hennig glaubt daher nicht, dass in den USA durch Stargate die „Singularität“ erreicht wird, also der Punkt, an dem KI unsere Intelligenz übertrifft. „Sie planen etwas anderes“, sagt er. Es könnte etwa darum gehen, die KI produktiver für wichtige Anwendungen zu machen. Larry Ellison sprach bei der Vorstellung konkret von KI, die Patientendaten auswertet, um die medizinische Versorgung zu verbessern.

Der Informatiker Volker Tresp von der Ludwig-Maximilians-Universität München verweist darauf, dass mehr Rechenleistung auch die Erforschung der Systeme voranbringt. Heute dauert es mehrere Monate, ein modernes KI-System zu trainieren. So lange dauert es auch, zu prüfen, ob eine Veränderung an der Architektur das System dramatisch verbessert. „Wenn ich das mit mehr Rechenleistung reduzieren kann, kann ich natürlich sehr viel schneller Fortschritte machen“, sagt er.

Kristian Kersting, Professor für KI und Maschinelles Lernen an der TU Darmstadt, sieht im Vergrößern der Modelle wenig Potential für Quantensprünge. In deren Funktionsweise hingegen schon. Er nennt als Beispiel die Idee des „Test-Time Compute“, bei dem die modernsten Modelle sich selbst kontrollieren, während sie Antworten erstellen. „Dadurch ist der letzte Quantensprung entstanden“, sagt er. Für solche Entwicklungen braucht es Forschung. „Ich glaube daher, hinter den 500 Milliarden steckt auch das Heranlocken und Binden von Talenten“, erklärt er.

Europa könnte enttäuschte KI-Experten abwerben

Auf die Frage, wie Europa auf Star­gate reagieren sollte, lautet die Antwort der Experten: Besinnung auf die hiesigen Stärken. Kersting sagt, dass europäische Unternehmen viele Industriedaten hätten, mit denen sie KI trainieren könnten. „Wir können eine KI für die indus­trielle Produktion aufbauen – wir müssten nur loslegen“, sagt er. Das Problem sei, dass die Daten von Unternehmen geheim gehalten würden aus Sorge, Betriebsgeheimnisse zu verraten.

Philipp Hennig verweist auf eine andere Stärke Europas: die Potentiale der akademischen Forschung. „Die neuen Ideen für KI kommen bisher von den amerikanischen Top-Universitäten“, sagt er. Das seien wiederum Teile der Gesellschaft, die Trump gegen sich aufbringt. Ein Beispiel: Mit seinen Dekreten hat Trump dafür gesorgt, dass die National Institutes of Health Meetings absagen, Reisesperren verhängen sowie die Beratung über Förderanträge aussetzen mussten. Diese Behörde fördert auch KI-Forschung. Die EU könnte versuchen, die verprellten Wissenschaftler nach Europa zu holen.

„Das Ziel wäre, dass die nächste Generation der führenden KI-Forscher aus Europa kommt“, sagt Hennig. Das aktuelle Budget des Forschungsprogramms „Horizont Europa“ beträgt 100 Milliarden Euro. Mit Blick auf die 100 Milliarden Dollar für Stargate schwebt Hennig vor: „Die EU könnte noch mal 100 Milliarden drauflegen und sagen: ‚Die müssen strategisch skrupellos eingesetzt werden, um junge Forschende aus Nordamerika hierherzuholen und diese anzuhalten, hier zu lehren und zu gründen.‘“ Und fügt hinzu: „Man kann ja auch mal träumen.“

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