Der Regisseur David Lynch ist nach Angaben seiner Familie verstorben. In einem Facebook-Beitrag der Familie heißt es: „In der Welt ist jetzt ein großes Loch, da er nicht mehr unter uns ist.“ Die genaue Todesursache wurde nicht mitgeteilt. Lynch wurde 78 Jahre alt und hinterlässt ein Vermächtnis mit Filmen wie „Blue Velvet“, „Wild at Heart“ und „Twin Peaks“, die Kultstatus erlangt haben.
Im vergangenen Jahr hatte Lynch erstmals öffentlich über seine Lungenerkrankung gesprochen. Der 78-Jährige, bei dem im August ein Lungenemphysem diagnostiziert wurde, erklärte gegenüber dem US-Magazin „People“: „Es ist, als ob man mit einer Plastiktüte über dem Kopf lebt.“ Berichten zufolge war der Regisseur auf zusätzlichen Sauerstoff angewiesen, wenn er sich bewegte.
Lynch galt als einer der einflussreichsten Filmkünstler seiner Zeit. Seine Filme seien „surreal, brutal, mysteriös, bevölkert von merkwürdigen Figuren, die oft nicht wissen, ob sie wachen oder träumen, dazu durchwirkt von einer grotesken Fünfziger-Jahre-Nostalgie. Ob ‚Twin Peaks', ‚Mulholland Drive‘ oder ‚Blue Velvet‘ – hinter Samtvorhängen und Gartenzäunen lauert bei Lynch stets der böse Zwillingsbruder des American Dream“, hieß es in der F.A.Z. Dabei seien seine Filme „von verblüffender Unterschiedlichkeit, vereint allein von der Fixierung auf die Verrottung des modernen Weltbilds“. Insbesondere die Fernsehserie „Twin Peaks“ gilt als sein Meisterwerk:
Es begann mit „Eraserhead“
1972 begann Lynch mit der Arbeit an „Eraserhead“, einem Underground-Film, der 1978 zunächst wenig Beachtung fand und schließlich doch noch als international Erfolg hatte. 1978 bot ihm Mel Brooks die Regie in einem von ihm finanzierten Film über die authentische Geschichte eines körperlich Behinderten an, der im Viktorianischen England um 1880 als monströse Kirmes-Attraktion vermarktet wurde. „Elephant Man“, in stimmungsvollem Schwarz-Weiß gedreht, entwickelte sich 1980 unverhofft zu einem Kassenschlager in den USA und Europa, erhielt acht Oscar-Nominierungen und bescherte Lynch einen Vertrag beim Großproduzenten Dino De Laurentiis.
In Hollywood genoss Lynch nun den Ruf als großes Regietalent und konzentrierte sich bei seiner dritten großen Arbeit, der lang erwarteten Verfilmung des Science-Fiction-Bestsellers „Dune – Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert, ganz auf die Atmosphäre der fantasievollen Zukunftsgeschichte abgestimmt. Obwohl die Fachkritik den Film 1984 als visuelles Spektakel würdigte, erwies sich die 42 Millionen Dollar teure Produktion als künstlerisches und kommerzielles Fiasko.
„Blue Velvet“ mit Isabella Rossellini wurde zum Klassiker
Dank eines Rest-Budgets von „Dune“ drehte Lynch 1986 seinen vierten Film „Blue Velvet“ mit Isabella Rossellini, die als lasterhaft-laszive Nachtclubsängerin in blauem Samt eine amerikanische Kleinstadtidylle der 1950er Jahre in Unordnung bringt. Die Mischung aus Kriminalgeschichte, erotischem Liebesthriller und surrealistischer Komödie lief zunächst nur in ausgewählten New Yorker Kinos. Doch entwickelte sich „Blue Velvet“ zu einem Publikumserfolg und Kultfilm der 1980er Jahre, der 1987 den Großen Preis der Festspiele des fantastischen Films erhielt und Lynchs Ruf festigte.
Mit der ironischen TV-Krimi- und Mysteryserie „Twin Peaks“ – einem Holzfällerstädtchen im Nordwesten Amerikas, in dem albtraumartige Dinge geschehen – schufen Lynch und sein Koproduzent Mark Frost einen Meilenstein der Fernsehgeschichte. Vieles, was später modernes Serienfernsehen ausmachen sollte, hatte Lynch mit dieser Serie um den mysteriösen Mord an der Schülerin Laura Palmer vorweggenommen, darunter das horizontale Erzählen, das sich durch die Episoden zog. 1992 kam „Twin Peaks“ als Spielfilm um die Ereignisse vor der Serie mit dem Titel „Fire Walk With Me“ in die Kinos, fand jedoch eine gespaltene Aufnahme.
„Twin Peaks“ ist ein einziges, faszinierendes Rätsel
Noch seltsamer und noch düsterer fiel die lange angekündigte dritte Staffel aus, die 2018 ausgestrahlt wurde. Im Mittelpunkt der Geschichte steht wiederum der FBI-Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan). Die ersten beiden Episoden wurden zudem beim Filmfestival in Cannes gezeigt.
Besonders in den 1990er Jahren erntete Lynch mit Kinofilmen Erfolge. Mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde „Wild at Heart“ (1990) - eine Mischung aus Roadmovie, Rock-'n'-Roll-Epos, Sex and Crime. 1996 präsentierte er mit „Lost Highway“ einen weiteren Avantgarde-Film, der Motive aus früheren Produktionen aufgriff und einmal mehr mit cineastischen Konventionen wie etwa chronologischer Erzählung brach. Überraschend präsentierte sich Lynch 1999 mit seinem Film „The Straight Story“, in dem sich ein alter Mann mit seinem Rasenmäher-Trecker auf den Weg von Iowa nach Wisconsin macht, um sich mit seinem kranken Bruder zu versöhnen
Zwei Jahre später kam der enigmatische Horrorthriller „Mulholland Drive“ in die Kinos, in dem Wirklichkeit und Traum zu verschwimmen scheinen und somit die Geschichte für den Betrachter nicht nachvollziehbar bleibt. Es geht um eine Vielzahl scheinbar unabhängiger Begegnungen im Umfeld von Hollywood, die ihren Ausgangspunkt bei einem Unfall finden, bei dem eine Frau ihr Gedächtnis verliert.
2006 feierte in Venedig Lynchs Mystery-Drama „Inland Empire“ Premiere. Der Film handelt von einer Schauspielerin, die in einem Remake eines Films mitwirkt, dessen ursprüngliche Hauptdarsteller auf rätselhafte Weise umgekommen waren. Über weite Strecken fungierte Lynch dabei selbst als Kameramann, filmte mit einer veralteten Digital-Handkamera und betrat damit noch einmal künstlerisches Neuland.