Sieben statt neunzehn Prozent : Steuergeschenk für den Kunsthandel
Nicht immer werden die schlimmsten Befürchtungen wahr. Manchmal wendet sich für diejenigen, die in einen Abgrund zu blicken meinen, sogar alles zum Besten. So geschehen ist es dem deutschen Kunsthandel mit dem Beschluss des Bundeskabinetts für ein Jahressteuergesetz 2024. Statt der als Menetekel an die Wand gemalten Beibehaltung des seit 2014 für die Branche geltenden Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent, der ohne Differenzbesteuerung voll durchgeschlagen hätte, nutzte das Kabinett den Spielraum im Unionsrecht und optierte für die Rückkehr zum reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Kunst und Sammlungsgegenstände.
Dieser hatte zuletzt praktisch nur beim Direktverkauf durch Kunstschaffende gegolten; nun sollen Galerien und Auktionshäuser ihn wieder anwenden dürfen. Entsprechend groß ist der Jubel der Betroffenen und ihrer Interessenverbände: Der Deutsche Kulturrat dankt Kulturstaatsministerin Claudia Roth „herzlich“ und „gratuliert zu diesem großen kulturpolitischen Erfolg“, der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler bedankt sich auch bei Bundesfinanzminister Christian Lindner und sieht die Wettbewerbsfähigkeit des Handels gestärkt.
5,5 Prozent in Frankreich
Das ist dieser tatsächlich, führt man sich vor Augen, wie etwa der direkte Nachbar Frankreich Handel treibt: Nur 5,5 Prozent Mehrwertsteuer fallen dort beim Kunstverkauf an – ein wesentlicher Faktor im durch den Brexit zusätzlich befeuerten Boom der europäischen Kunsthandelskapitale Paris.
Dass die in guter föderaler Tradition kleinteilig und regional aufgestellte deutsche Branche, die zwei Prozent zum globalen Umsatz mit Kunst beiträgt und in der EU auf Platz zwei steht, zum auf Paris fokussierten EU-Branchenprimus Frankreich mit sieben Prozent Weltmarktanteil aufschließen könnte, erscheint vorerst außer Reichweite. Doch hiesige Händler laufen, sollte das Gesetz den Bundestag passieren, zumindest steuerlich nicht mehr Gefahr, international den Anschluss zu verlieren.
Kurz vor der Europawahl versöhnt das den von der Kulturgutschutz-Entscheidung für Caspar David Friedrichs Skizzenbuch verstimmten Handel mit der Politik und ist ein schönes Geschenk der vielgescholtenen Koalition und der oft kritisierten Kulturstaatsministerin an die mit schwierigen wirtschaftlichen Zeiten konfrontierten Kunstverkäufer. Mögen Agrarverbände, Baugewerbe oder öffentlicher Dienst maulen, der Kunsthandel hat ein Monitum weniger vorzubringen.