Abschied aus der Politik : Der unheilige Sebastian Kurz

Der frühere österreichische Bundeskanzler hat gute Gründe für seinen Rückzug. Sein politisches Modell lebt fort, allerdings nicht in Deutschland.
Wenn jeder, der sich über die Vaterschaft freut, aus der Politik aussteigen würde, dann sähe es nicht nur in Österreich anders aus in Parlament und Regierung. Aber Sebastian Kurz war ehrlich genug, den wahrscheinlich ausschlaggebenden Grund für seinen Rückzug zu nennen. Die Vorwürfe und Verfahren gegen ihn wären eine schwere Bürde für ein politisches Comeback gewesen, vor allem, wenn sie sich länger hinziehen.
Damit aber scheint der gestürzte Kanzler zu rechnen, der sich außerdem zu der Bemerkung durchrang, er sei weder ein Heiliger noch ein Verbrecher. In anderen Worten: Als makellos empfindet selbst er die Umstände nicht, unter denen er die Parteiführung übernahm. Ob sie auch rechtswidrig waren, kann nur die Justiz klären.
Der kometenhafte Aufstieg dieses jungen Politikers steht exemplarisch für die Verunsicherung des bürgerlichen Lagers nicht nur in Österreich. Früher als andere Konservative erkannte Kurz die gesellschaftliche Sprengkraft, die in ungeregelter Migration liegt. Dass er aus der Honoratiorenpartei ÖVP eine Bewegung machte, die auf ihn persönlich zugeschnitten war, wäre ohne die Flüchtlingskrise 2015 kaum möglich gewesen.
Sein Sturz wiederum zeigt, dass auch vermeintliche Heilsbringer nicht immun sind gegen die Versuchungen der Macht. Kurz tritt ab, aber sein Modell lebt fort, etwa bei den Republikanern in Frankreich. Nur die Union in Deutschland blickt weiter nach links.