Trotz unklarer Rechtslage :
Italien bringt wieder Migranten nach Albanien

Von Matthias Rüb, Tirana
Lesezeit: 3 Min.
Ein italienisches Marineschiff mit 49 Migranten nähert sich dem Hafen in Shëngjin im Nordwesten Albaniens.
Die Regierung von Giorgia Meloni schickt zum dritten Mal ein Schiff mit Migranten nach Albanien. Mit diesem Vorgehen ist die italienische Regierung zuvor bereits zwei Mal gescheitert.
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Die Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni unternimmt einen dritten Anlauf zur Verbringung von Bootsmigranten in die italienischen Aufnahme- und Abschiebelager in Albanien. Das Patrouillenboot „Cassiopea“ der italienischen Kriegsmarine legte am Dienstagmorgen mit 49 Migranten an Bord im Hafen von Shëngjin in Nordalbanien an. Die Mehrzahl der Migranten stammt aus Bangladesch. Auch Männer aus Ägypten, Gambia und von der Elfenbeinküste sind unter den Bootsflüchtlingen, die am Wochenende von dem italienischen Kriegsschiff in internationalen Gewässern vor der Küste Lampedusas aufgenommen worden waren.

Nach einer eingehenden Gesundheitsuntersuchung in dem Aufnahmezentrum in Shëngjin werden die Migranten dort verpflegt, mit frischer Kleidung versorgt und anschließend mit Bussen in das Abschiebelager in der nahe gelegenen Ortschaft Gjadër gebracht. In den beiden Lagern können zusammen 3000 Migranten untergebracht werden, die Jahreskapazität der Zentren gibt die Regierung in Rom mit 36.000 Personen an.

Nach den Plänen Roms sollen Migranten aus sicheren Herkunftsländern nach einem verkürzten Asylverfahren von nicht länger als vier Wochen Dauer von den Lagern in Albanien direkt in ihre Heimatstaaten zurückgebracht werden, ohne überhaupt ihren Fuß auf EU-Territorium gesetzt zu haben. Die Liste der 19 Herkunftsländer, die von Italien als sicher eingestuft werden, umfasst neben den sechs Staaten des westlichen Balkans die Länder Ägypten, Algerien, Bangladesch, Elfenbeinküste, Gambia, Georgien, Ghana, Kap Verde, Marokko, Peru, Senegal, Sri Lanka und Tunesien. Die Einrichtung der italienischen Lager in Albanien und deren Betrieb für zunächst fünf Jahre hatte Meloni im November 2023 mit dem albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama vereinbart.

Gerichte in Italien und EuGH könnten Vorgehen als rechtswidrig einstufen

Wie bei den beiden ersten Versuchen im Oktober und November besteht auch dieses Mal das Risiko, dass italienische Gerichte das Vorgehen Roms als rechtswidrig einstufen. Im vergangenen Jahr hatten mehrere Gerichte in Italien die unverzügliche Überführung der Migranten aus den Lagern in Albanien nach Italien verfügt, weil nach Maßgabe eines vorläufigen Urteils der EU-Richter in Luxemburg die Einstufung von Herkunftsländern als sicher nur dann gerechtfertigt ist, wenn dies für das gesamte Territorium der betreffenden Länder zutrifft. Ein Grundsatzurteil der Richter des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg zur Frage sicherer Herkunftsländer wird am 25. Februar erwartet.

Die Anfang Oktober fertiggestellten italienischen Lager in Shëngjin und Gjadër standen monatelang faktisch leer, nur italienisches und albanisches Wach- und Instandhaltungspersonal hielt sich dort auf. Bei den 49 Migranten an Bord der „Cassiopea“ handelte es sich um männliche Erwachsene, die nach einer ersten Untersuchung an Bord bei guter Gesundheit waren.

Grundsätzlich kommen nach geltenden italienischen Migrationsgesetzen nur männliche und nicht vulnerable Erwachsene für die Verbringung nach Albanien und für das verkürzte Asylverfahren infrage. Dagegen werden Frauen, Alte, Kinder und Kranke selbst aus sicheren Ländern – wie alle anderen Migranten aus unsicheren Herkunftsstaaten auch – immer nach Italien gebracht. Die Regierung in Rom erhofft sich vom „Modell Albanien“ eine abschreckende Wirkung, zumal auf männliche erwachsene Migranten aus sicheren Herkunftsländern, weil diese mit dem Transport nach Albanien und der raschen Abschiebung von dort rechnen müssen.

Rechtliche Herausforderungen

Nach den Urteilen im Oktober und November hatte die Mitte-rechts-Koalition unter Führung von Melonis rechtskonservativer Partei Brüder Italiens die gesetzliche Grundlage für die Verbringung von Migranten aus dem Mittelmeer nach Albanien geändert und die richterliche Zuständigkeit für die Fälle von besonderen Gerichten für Migrationsangelegenheiten zu allgemeinen Berufungsgerichten verlagert.

Außerdem entschied das Kassationsgericht in Rom im Dezember, dass es grundsätzlich der Regierung zustehe und obliege, Herkunftsländer als sicher einzustufen. Es sei nicht Aufgabe der Jurisdiktion, eine allgemeine Entscheidung über die Sicherheitslage in Herkunftsländern zu treffen, urteilten die Obersten Richter. Gerichte dürften allenfalls nach Einzelfallprüfungen entscheiden, ob in Ausnahmefällen die Rückführung nicht erfolgen könne.

Die Regierung in Rom hofft, dass die Praxis der exterritorialen Unterbringung von Migranten und das verkürzte Asylverfahren nach der gesetzlichen Anpassung der Verfahrensregeln und nach dem Urteil des Obersten Gerichts nun politisch und rechtlich „wasserdicht“ ist. Es besteht aber weiter das Risiko, dass Gerichte der Regierung auch beim dritten Anlauf zur Unterbringung von Bootsmigranten in Albanien in den Arm fallen. Als problematisch gilt etwa, dass bei der Einstufung der zum Transport nach Albanien vorgesehenen Migranten als nicht vulnerabel kein medizinisches Fachpersonal der Internationalen Organisation für Migration (IOM) an Bord war, obschon dies gemäß italienisch-albanischem Memorandum vom November 2023 ausdrücklich vorgeschrieben ist.

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