Fraktur: Viktor Orban lobt Angela Merkel. Wie hätte sie Wladimir Putin bezirzt?

Politiker, die uns mitteilen, was sie alles anders machen würden, wenn sie an die Macht kämen, gibt es zuhauf. Trump zum Beispiel verspricht, den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden zu beenden, vermutlich an dem einen Tag, an dem er ohnehin Diktator sein und im eigenen Land aufräumen will, bevor er wieder zu einem lupenreinen Demokraten wie Putin wird. Weniger häufig sind Politiker, die ihren Einfluss auf das Weltgeschehen mit dem Konjunktiv Plusquamperfekt beschreiben, den man auch den Steinbrück-Irrealis nennen könnte („hätte, hätte, Fahrradkette“). Und nur ganz selten hört man, dass ein Politiker über einen anderen sagt, dieser hätte etwas sehr Wichtiges viel besser gemacht. Im Folgenden wollen wir uns mit einem solchen Fall beschäftigen. Wer wirklich schuld ist am russischen Überfall Den hat uns ein Staatsmann beschert, der zweifellos in einer eigenen Liga spielt: Viktor Orbán. Der Regierungschef der eurasischen Großmacht Ungarn behauptete in einem Interview mit der Springer-Presse, Russland hätte die Ukraine nie überfallen, wenn Angela Merkel noch Bundeskanzlerin gewesen wäre – was im Umkehrschluss nur bedeuten kann, dass wer schuld an diesem Krieg ist? Genau, Olaf Scholz. Dass Orbáns sensationelle Lobeshymne auf Merkel kaum beachtet wurde, muss an der Ablenkung durch die Fußball-Europameisterschaft gelegen haben. Sonst wäre doch sofort jedem wieder eingefallen, dass Merkel und Orbán meistens wie Hund und Katz gewesen sind, was der Ungar selbst bestätigte: „Die Konfrontation war manchmal ziemlich harsch. Ich versuche immer, höflich zu sein, aber es war sehr schwierig.“ Das sehen bestimmt auch Putin und Xi Jinping so Und trotzdem schlägt Orbán jetzt Merkel gleichsam für den Friedensnobelpreis vor! Das ist ein nettes Geschenk zu ihrem 70. Geburtstag. Unsere ehemalige Kanzlerin, so berichtete Orbán (aus einem Geheimtreffen mit ihr?), habe „die dumme Herangehensweise vieler Westler gar nicht verstanden“. Ein größeres Lob hätte Orbán ihr nicht aussprechen können, das sahen bestimmt auch seine Freunde Putin und Xi Jinping so. Leider führte Orbán aber nicht weiter aus, wie Merkel Putin davon abgehalten hätte, ukrainische Krankenhäuser und Wohnblocks mittels Gleitbomben und Hyperschallraketen zu entnazifizieren. Weil auch Merkels Memoiren noch auf sich warten lassen, müssen wir uns selbst vorstellen, wie sie Putin bezirzt hätte. Vielleicht mit der Adoption eines russischen Hundes? Dem Bau von Nord Stream 3 bis 9? Oder mit einem Pakt zur Aufteilung Mitteleuropas, wie ihn Hitler und Stalin geschlossen hatten? Ungarn müsste dann natürlich auf der russischen Seite landen und nicht im dekadenten Westen. Unter Orbán ist es ja schon zum engsten Verbündeten Russlands und Chinas in Europa geworden, was auch die vertrauensvollen Gespräche mit den Führern der unfreien Welt auf Augenhöhe belegen. Solche Erfahrungen können Politikern, die über ihrer Gewichtsklasse boxen, durchaus zu Kopf steigen, nicht aber Orbán: „Bescheidenheit ist das Wichtigste, wenn man Ungar ist.“ Nun kann auch Baerbock völlig losgelöst um die Welt jetten Mit dieser Bescheidenheit hat der ungarische Kissinger auch seine Kollegen im Westen ungemein beeindruckt. Auf dem Jubiläumsgipfel der NATO wagten sie es vor Ehrfurcht kaum, sich ihm zu nähern. Und es ist sicher kein Zufall gewesen, dass auch unsere Außenministerin noch während Orbáns spektakulärer Vermittlungstour meinte, es brauche nun „nicht weniger, sondern mehr Diplomatie“. Damit sie völlig losgelöst wie Orbán um die Welt jetten kann, opferte Baerbock sogar die Kanzlerkandidatur, als Kosmopolitin natürlich auf Englisch. Für diesen Verzicht zugunsten Habecks wurde sie von den anderen Führungsfrauen der Grünen als vorbildliche „Teamplayerin“ gelobt. Wir aber fragen uns: Hätte sie als Kanzlerin nicht noch mehr für den Frieden und den Feminismus in der Welt tun können? Zugang zu Putin, Xi und Trump bekommt aber wohl doch nur so ein Alpharüde wie Orbán. Und selbst ihm gelang es nicht, den Kreml zu einem Waffenstillstand zu bewegen oder wenigstens davon abzuhalten, das Kinderkrankenhaus in Kiew zu bombardieren. Orbán hätte Merkel eben nicht nur loben, sondern auch auf seine Tour mitnehmen sollen.