Weckruf für die Opposition :
Bundesgericht blockiert Trumps Ausgabenstopp

Von Frauke Steffens, New York
Lesezeit: 5 Min.
US-Präsident Donald Trump am vergangenen Montag in Washington D.C.
Präsident Trump wollte Bundesmittel im ganzen Land einfrieren, um die politische Linientreue geförderter Projekte zu prüfen. Seine Gegner haben vor Gericht eine Atempause erwirkt – mehr aber auch nicht.
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Schulessen für Kinder, die sonst kaum etwas zu essen bekommen. Forschungsprojekte vom Dinosaurier bis zur Städteplanung. Internationale Hilfen für Menschen in armen Ländern, die HIV-infiziert sind. Was davon wirklich gekürzt werden soll, ist nicht klar. Aber wenn es nach dem Willen von Präsident Donald Trump geht, dann müssten alle Programme, die Geld vom Staat bekommen, erst einmal beweisen, dass sie in seine politische Agenda passen. Und solange diese Prüfung läuft, soll kein Geld fließen. Es geht um Milliarden, vermutlich Billionen Dollar. Die Mittel sind eigentlich vom Kongress bewilligt worden – nicht der Präsident hat hier das letzte Wort, sondern die gewählten Volksvertreter.

Nach einem Tag Chaos und Protest bekam Trump denn auch die Quittung für sein Vorgehen. Bundesrichterin Loren L. AliKhan aus dem District of Columbia stoppte den „spending freeze“, das drohende Einfrieren der Bundesmittel, kurz vor Inkrafttreten. Zumindest ein paar Tage kann die Verordnung jetzt nicht umgesetzt werden. Das Weiße Haus wisse selbst wohl nicht genau, welche Programme betroffen seien, sagte die Richterin. Deswegen kann sie es auch nicht wissen und will die Angelegenheit nun bis nächste Woche prüfen.

AliKhan warnte auch vor einem möglichen „nicht wiedergutzumachenden Schaden“. Der nationale und internationale Finanzierungsstopp war zuerst ein Gerücht gewesen. Ein Memo des Office of Management and Budget (OMB) wurde Anfang der Woche geleakt, Klarheit gab es mit der offiziellen Anweisung an die Behörden. Demnach sollten alle Bundesmittel erst einmal eingefroren werden, um zu prüfen, ob sie mit Trumps politischem Programm in Einklang seien. Öffentliche Gelder sollten nicht mehr für eine „woke Agenda“ und „marxistische Gleichheitsvorstellungen“ ausgegeben werden. Wer das prüfen sollte und wie lang das dauern würde, blieb unklar.

Stürzt Trump Amerika in eine Verfassungskrise?

Der amerikanische Staat gibt jährlich Milliarden Dollar aus, um Armen zu helfen, Forschung voranzutreiben oder das Gesundheitssystem in strukturschwachen Gegenden am Laufen zu halten. Vieles davon ist ein Erbe des „New Deal“ und, es ist dem neuen Präsidenten und seinem Kabinett ein Dorn im Auge. In der Anweisung war denn auch von „green new deal social engineering“ die Rede, in Anspielung auf Vorhaben linker Demokraten für ökologische Politik. Was folgte, ließ sich vielen Beobachtern zufolge nur als Panik beschreiben: Schulen, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen wussten nicht, ob sie morgen noch Geld für ihre Projekte haben würden – in vielen Fällen gehe es um die Existenz von Menschen.

Einen so umfassenden Versuch eines Präsidenten, die Macht über die Ausgaben vom Kongress an sich zu reißen, habe es noch nie gegeben, sagen Kritiker wie Robert Reich, ehemaliger Arbeitsminister unter Bill Clinton. Es handele sich um einen „power grab“, Griff nach der Macht, und damit um eine Verfassungskrise. Demokratische Senatoren wie Chuck Schumer und Elizabeth Warren äußerten sich ähnlich. Aufforderungen an die Bürger, ihre Vertreter im Kongress anzurufen, wurden geteilt – zum Beispiel auch von Hillary Clinton auf ihrem Instagram-Account. Ein Protest vorm Weißen Haus war angekündigt.

Derweil meldeten zahlreiche Gouverneure wie J.B. Pritzker aus Illinois, dass die eigene Verwaltung keinen Zugriff mehr auf das Medicaid-System habe. Die Krankenversorgung für Arme wird vom Bund mitfinanziert und von den Staaten verwaltet. Ähnliche Meldungen gab es über die sogenannten Section-8-Mietgutschriften, die arme Menschen erhalten können. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt bezeichnete die Ausgabensperre als „sehr verantwortungsbewusste Maßnahme“. Sie versicherte, das Verwaltungssystem von Medicaid sei bald wieder erreichbar, und gab an, es sei die Aufgabe der neuen Regierung, sicherzustellen, „dass über jeden Penny Rechenschaft abgelegt wird“. Eine Frage, ob Medicaid-Empfänger vom Versicherungsschutz abgeschnitten werden sollten, beantwortete Leavitt nicht. Trumps hochrangiger Berater Stephen Miller sagte dem Sender CNN später, dass die Maßnahme nicht auf Medicaid ziele.

Kritiker unterstrichen, dass die Kürzungen auch viele Wähler der Republikaner treffen würden – zum Beispiel weil Universitäten mit öffentlichen Mitteln ärmere Studierende vom Land fördern, eine Praxis, die von vielen nicht als Maßnahme der „DEI“ (Diversity, Equity and Inclusion) wahrgenommen wird. Und selbst regionale Ableger des konservativen TV-Senders Fox News berichteten, dass die Finanzierung der Organisation „Meals on Wheels“ in Gefahr sei, die von Hunger bedrohte Rentner versorgt.

Angesichts der Kritik und der sofortigen Klage mehrerer Bundesstaaten und Organisationen wirkte das Weiße Haus zunehmend chaotisch. Mehrere Pressemitteilungen und eine Pressekonferenz sollten wohl Klarheit bringen, machten die Sache aber nur schlimmer. Während die Regierung noch erklärte, bestimmte Programme wie Essensmarken seien von dem Finanzierungsstopp ausgenommen, wetterte Gouverneur Pritzker angesichts des in vielen Staaten plötzlich nicht mehr funktionierenden Medicaid-Verwaltungssystems: „Die Regierung lügt euch an!“ Das Einfrieren aller Mittel bis zum Beweis der politischen Linientreue gehe direkt auf die Pläne des „Projekt 2025“ der „Heritage Foundation“ und anderer rechter Organisationen zurück, sagte Tim Walz, Minnesotas Gouverneur und ehemaliger Kandidat der Demokraten für das Amt des Vizepräsidenten, bei MSNBC. Diese Leute wollten den Staat und letztlich die Demokratie zerstören.

Tag des Finanzierungsstopps als Wendepunkt

Tatsächlich soll das Office of Management and Budget demnächst von Russell Vought geleitet werden, einem der wichtigsten Autoren des „Projekt 2025“. Republikanische Strategen wie Scott Jennings gingen derweil in die Abendtalkshows und verteidigten Trumps Pläne als überlegte Fiskalpolitik, die Projekte auf Verschwendung prüfen solle. Doch die Generalinspektoren des Bundes, die solcher Ineffizienz in allen Ressorts eigentlich auf den Grund gehen sollen, hatte Trump einige Tage zuvor gefeuert. Viele interpretieren den chaotischen Tag des „spending freeze“ nun als Weckruf für eine Opposition, die sich bisher angesichts der Masse an Exekutivanordnungen und Negativschlagzeilen selbst in einer Art Starre befand.

Diese Losung gab auch Late-Night-Host Rachel Maddow aus, als sie beim linksliberalen Sender MSNBC den Tag zusammenfasste: „It’s on“, sagte Maddow, was so viel bedeutet wie: „Jetzt kommt es drauf an.“ Die schlechte Nachricht sei, dass die Trump-Regierung den öffentlichen Sektor abwickeln wolle. Die gute Nachricht laute, dass das Weiße Haus den ganzen Tag über gezeigt habe, wie schlecht man darin sei, die Agenda des „Projekt 2025“ umzusetzen. Maddow zeigte alte Videos von Vizepräsident J.D. Vance und von dem neofaschistischen Blogger Curtis Yarvin, den Vance einmal als Ideengeber zitiert hatte. Das Motto von Yarvin sei „RAGE“ – das steht für „Retire all government employees“. Den demokratischen Staat wolle er abschaffen und mit dem „freeze“ wohne man einem ersten Testballon dafür bei, sagte Maddow.

Der Streit darüber, ob Trump einfach die Finanzhoheit an sich reißen kann, hat vor Gericht gerade erst begonnen und könnte bis vor den Supreme Court führen. Eine Meldung legte am späten Abend unterdessen nahe, dass Druck wirkt: Das Außenministerium verkündete, man nehme den kürzlich beschlossenen Stopp der internationalen HIV-Hilfe zum Teil zurück. In letzter Zeit war häufig die Rede davon, dass die Opposition gegen Trump müde und orientierungslos sei. Viele, von Gouverneur Pritzker aus Illinois bis hin zu Fernsehmoderator Chris Hayes, bezeichneten den Tag des Finanzierungsstopps als Wendepunkt. Was auf dem Spiel stehe, aber auch mögliche Gegenstrategien lägen jetzt klarer auf dem Tisch.

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