Neues Unterwasserkabel : Baltischer Ökostrom für Deutschland
Neben der Nordsee soll auch die Ostsee zu einem „grünen europäischen Kraftwerk“ werden. Dazu wollen Deutschland und das Baltikum bei der Erzeugung und Übertragung von Meereswindkraft (Offshore) enger zusammenarbeiten. Am Dienstag unterzeichnen Übertragungsnetzbetreiber aus Deutschland, Estland, Lettland und Litauen auf dem „Baltic Offshore Wind Forum“ im Auswärtigen Amt eine Absichtserklärung, um perspektivisch vor der baltischen Küste „vermaschte Offshorenetze“ für verschiedene Abnehmer zu realisieren. In einem weiteren Papier vereinbaren 50Hertz aus Berlin und sein Pendant Elering aus Tallinn (Estland) die konkrete Planung für ein hybrides Seekabel. Nach Informationen der F.A.Z. wird dieser „Baltic Wind Connector“ über 750 Kilometer bis nach Mecklenburg-Vorpommern führen. Geplant ist, einen neuen estnischen Windpark und eine Konverterplattform einzubinden. Die Kapazität soll 2 Gigawatt (GW) erreichen.
Hybrid heißt die Technik, weil sie den Strom in alle Richtungen leiten kann: etwa Solarkraft vom estnischen Festland direkt nach Deutschland oder die Offshore-Energie des neuen Windparks je nach Bedarf ins Baltikum oder in die Bundesrepublik. Der Konverter ist ein Gleichrichter, weil der Strom mit einer Spannung von 525.000 Volt als Gleichstrom transportiert wird, um Übertragungsverluste zu minimieren.
Sicherheitspolitik und Klimaneutralität
Das Windforum wird von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihrem dänischen Kollegen Lars Løkke Rasmussen eröffnet. 50Hertz arbeitet in der Ostsee schon mit Dänemark zusammen: Rund um die Insel Bornholm sollen Windräder mit einer Kapazität von 3 GW entstehen, wobei der Strom über ein 470 Kilometer langes Unterseekabel nach Deutschland gehen wird. Die Absichtserklärung mit dem dänischen Vertragspartner Energinet wurde 2020 unterzeichnet, die Fertigstellung des Bornholm Energy Islands ist 2030 geplant. Das Projekt kostet 9 Milliarden Euro. Analog dazu könnte der Baltic Wind Connector im Jahr 2032 bereitstehen und dürfte zweistellige Milliardeninvestitionen erfordern.
In der Ostsee sind bisher nicht einmal 3 GW Windkraft installiert, in der Nordsee unterhält allein Deutschland fast 7 GW. Auf einem Gipfel 2022 vereinbarten die Ostseeanrainer jedoch einen Ausbau bis 2030 auf 19 GW. 50Hertz-Chef Stefan Kapferer sieht in der Anbindung des Baltikums an den kontinentaleuropäischen Stromverbund einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität und zur Sicherheitspolitik. Elering-Chef Taavi Veskimägi verweist darauf, dass sein Land potentiell viel mehr Windenergie erzeugen könne, als es brauche, und deshalb möglicherweise Deutschland mitversorgen könne. Das Bundeswirtschaftsministerium ist an einer Diversifikation des Ökostrombezugs interessiert. Der Abstand zum Nachbarmeer bleibt freilich groß: Ein Nordseegipfel hatte kürzlich den Ausbau dort bis 2030 auf 120 GW in Aussicht gestellt.