Künstliche Intelligenz :
Trumps Umkrempelung der Digitalpolitik hat begonnen

Gastbeitrag
Von Martin Wendiggensen
Lesezeit: 4 Min.
US-Präsident Donald Trump nach seiner Amtseinführung im Weißen Haus.
Die neue US-Regierung möchte mit Künstlicher Intelligenz im internationalen Wettbewerb gewinnen – Europa wird nun vollends abgehängt.
Merken
Zur App

„America innovates, Europe regulates” – so wird es einem dieser Tage in Washington oft gesagt. Ein Satz, der Trumps Blick auf die technologische Zusammenarbeit mit Europa gut zusammenfasst. Noch am Tag der Amtseinführung preist Trump vor seinen Anhängern die Deregulierung und schafft viele Anordnungen seines Vorgängers Biden sofort auf der Bühne ab. Darunter auch die einzige Regulierung, die Hürden für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz festgelegt hatte.

Seine Bemühungen treffen auf viel Begeisterung bei den digitalen Unternehmen des Silicon Valleys. Denn gerade bei den Start-ups ist die schnelle Entwicklung oberste Priorität, und es herrscht oft eine chaotische Atmosphäre – gleichzeitig regulatorische Verfahren einzuhalten und Informationen an die Regierung zu kommunizieren, wird als große Bürde gesehen. Daher machte sich besonders der Trump-Zirkel aus dem Silicon Valley für die Abschaffung der Regeln stark, allen voran der Millionär David Sacks, welcher unter Trump der „Zar” (ein informeller Titel für einen präsidentiellen Berater mit Sonderrechten) für KI und Kryptopolitik sein wird. Als einer der frühesten Unterstützer Trumps im Silicon Valley arrangierte er dort viele Verbindungen und Spenden. Er war selbst bereits Investor und Unternehmer in verschiedenen Tech-Start-ups und gilt daher als besonders effektiver Botschafter der Deregulierung. Aber auch sein Berater und Freund, der Unternehmer und Milliardär Elon Musk, ist als Besitzer eines KI-Start-ups (xAI) ein starker Kritiker von Regulierung.

Aber Trump und seine Berater wollen nicht nur Regeln abschaffen, sondern durch zusätzliche Ressourcen die USA bereit machen, das globale KI-Wettrennen zu gewinnen. Dafür hat das Trump-Team die Forschungsgelder der Regierung ins Auge gefasst. Das präsidentielle Büro für Wissenschafts- und Technikpolitik verfügt zwar über wenig direkte Befugnisse, aber viel Einfluss in der Ausrichtung ebenjener Forschungsgelder. Trump besetzt das Büro daher mit Michael Krastios, welcher es bereits in der vorherigen Trump-Regierung leitete und dazwischen bis vor Kurzem Geschäftsführer von Scale AI war. Dieses Unternehmen produziert Datensätze, die für das Training von KI-Anwendungen unerlässlich sind. Es ist allerdings auch eines der ersten KI-Unternehmen im Silicon Valley, das unter der Führung von Krastios aktiv Verträge mit dem US-Militär anstrebte und erhielt.

Auch die militärische Nutzung von Künstlicher Intelligenz wird eine neue Konstante der Trump-Regierung sein. So haben der designierte Verteidigungsminister Pete Hegseth wie auch der designierte Direktor des Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe, oft auf die vielfältigen Nutzungen der Künstlichen Intelligenz im Militär und Verteidigung verwiesen.

Dieses Interesse aus Washington an den Firmen im Silicon Valley trifft inzwischen auf Gegenseitigkeit. Denn zwischen den KI-Firmen ist bereits ein Wettbewerb um die lukrativen Verträge des Verteidigungsministeriums ausgebrochen. Allen voran: Open AI, welches eine Partnerschaft mit dem Rüstungsunternehmen Anduril eingegangen ist. Gemeinsam wollen die Unternehmen Künstliche Intelligenz noch mehr in militärische Systeme einbetten – von einzelnen Raketen bis hin zu ganzen Armeen.

Wettbewerber klassischer Rüstungsunternehmen entstehen

Open AI und Anduril teilen dabei nicht nur ihr Interesse am Verteidigungssektor, sondern auch einen Risikokapitalgeber – A16z, ein legendärer Financier des Silicon Valleys. Dieser Geldgeber strebt an, den traditionellen großen und trägen Rüstungsunternehmen eine Generation junger Wettbewerber gegenüberzustellen – mit besonderem Fokus auf Künstlicher Intelligenz. Bis vor wenigen Wochen arbeitete auch Sriram Krishnan noch in leitender Position bei A16z, wird nun allerdings Trumps leitender Berater zu Künstlicher Intelligenz.

Der ehemalige Manager von Microsoft gilt als einer der technisch versiertesten Amtsträger der neuen Regierung und als Vertrauter von Elon Musk. Diesen unterstützte er zum Beispiel bei Umbau der erworbenen Plattform Twitter zu X. Obwohl Musks eigene Rolle mit dem Amt für Regierungseffizienz also noch sehr vage ist, scheint sein Einfluss auf Trumps Digitalpolitik also gesichert.

Für die angestrebten Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz bedarf es allerdings leistungsfähiger Rechenzentren und günstigen Stroms. Erreicht werden soll dies von Lynne Parker, der neuen Sonderberaterin im Büro für Wissenschaft- und Technikpolitik. Die Informatikerin, welche vorher an Roboterschwärmen forschte und ein neues Büro für Künstliche Intelligenz in der ersten Trump-Regierung leitete, gilt als Expertin für den physischen Infrastrukturbedarf von KI-Entwicklung.

Flankiert werden ihre Bemühungen dabei von Doug Burgum, dem neuen Innenminister der Vereinigten Staaten. Dieser hat sich die Bereitstellung günstigen Stroms, um den KI-Wettbewerb zu gewinnen, zum Ziel erklärt. Dass Burgum dafür die Nutzung fossiler Energieträger erhöhen möchte, scheint Trump nur recht. So erließ Trump in den ersten Stunden seiner Amtszeit eine Reihe an Anordnungen, welche die Förderung von Kohle und Gas erleichtern sollen.

Auf Europa kommen also mit Trumps Ziel der KI-Dominanz unruhige Zeiten zu. Denn bei allen drei Pfeilern von Trumps Plan – Deregulierung, Bereitstellung von Geldern und günstigen Energiepreisen stand Europa bereits vor Trumps Maßnahmen den USA nach. Falls Europa nicht noch mehr Wettbewerbsfähigkeit einbüßen soll, braucht es eine ehrliche Bestandsaufnahme der schwierigen Rahmenbedingungen und entschlossene Handlungen, um diese zu verbessern.

Martin Wendiggensen
Martin Wendiggensen promoviert an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University in Washington, D.C. Sein Forschungsthema sind die Schnittpunkte zwischen Internationalen Beziehungen und Künstlicher Intelligenz.
Bild: Privat
  翻译: