Zum Tod von Angelo Badalamenti :
Hörst du den dunklen Wald?

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Kühle Berechnung romantischer Klänge? Angelo Badalamenti im Studio
Angelo Badalamenti hat mit seiner Musik Filme zu einer bewegenden Angelegenheit gemacht – besonders jene von David Lynch, zu deren Rätselhaftigkeit er beitrug. Nun ist der Komponist mit 85 Jahren gestorben.
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Sergio Leone hatte seinen Ennio Morricone, Hitchcock seinen Bernard Herrmann, Blake Edwards (und viele andere große Allrounder zwischen Action, Thriller und Komödie) seinen (ihren) Henry Mancini – schwer zu sagen, wie all deren Filme auf die Zuschauer wirken würden, gäbe es die begleitende Musik nicht. Ohne Zweifel lässt sie, wie es Schopenhauer über die Oper sagte, „jede Szene in erhöhter Bedeutsamkeit erscheinen“.

Es gibt aber auch Fälle, in denen akustisch nackte Filme erst recht beklemmend wirken und deren gleichsam klinische Grausamkeit so richtig hervortritt; Beispiele: der Gasherd-Mord an Wolfgang Kieling durch Paul Newman und Julie Andrews in Hitchcocks „Zerrissenem Vorhang“ oder, im Ganzen, Michael Hanekes „Funny Games“.

So entstand Laura Palmers Melodie

David Lynch hatte jedenfalls seinen Angelo Badalamenti. Und so viel lässt sich sagen, dass dieser Italoamerikaner genau der richtige war, sollte Lynch speziell jemanden gesucht haben, der den Rätselcharakter, der fast allen seinen Filmen eignet, unterstreicht oder noch vertieft. Das ging dann so: Badalamenti sitzt an seinem Fender-Rhodes-Keyboard, auf dem er das allermeiste komponiert hat, Lynch neben ihm, und fragt den Regisseur: „David, was siehst du?“, und Lynch sagt, unglaublich langsam: „einen dunklen Wald, ein sanfter Wind weht, der Schrei einer Eule. Entführ mich mit deiner Musik in die Schönheit dieser Dunkelheit.“ Und Badalamenti greift tiefe, düster dräuende Bass-Akkorde. Lynch ist begeistert, bittet aber um Tempoverschleppung.

So entstand „Laura Palmer’s Theme“ für die „Twin Peaks“-Reihe. Badalamenti setzte, wie noch jeder bedeutende Filmkomponist, vorzugsweise Streicher ein; was auch sonst? Das akustische Breitwandformat passt einfach am besten zur Leinwand. Es gibt keine andere Instrumentierung, mit der man entweder durch epischen Fluss beim Zuhörer die Bereitschaft, sich durch Melodramatik noch zusätzlich bewegen zu lassen, erhöhen kann oder, durch nervöses Zittern, die angstvolle Spannung. Badalamenti konnte beides perfekt und trieb Ersteres bisweilen bis in den rückhaltlosen Schwulst. Aber wenn man genau hinhört, durchdringt das eine das andere, ist die (falsche) Idylle immer vom Unheil bedroht. Sein Jazz-Gespür bewies er mit den Arrangements für Isabella Rossellini in „Blue Velvet“ (1986).

Man mag eine Ironie darin sehen, dass die schönste Musik dieses Alleskönners seine untypischste ist: „Rose’s Theme“ aus Lynchs gleichfalls untypischstem und eben auch schönstem Film „Straight Story“ (1999). Die zart, unendlich wehmütig perlende Harfe lässt einem Sissy Spaceks unaufhebbare Traurigkeit direkt ins Herz schießen; man wünscht, dass dieser Schmerz nie aufhört.

Nun ist Angelo Badalamenti, der in Brooklyn, New York, geboren wurde und den Film zu einer in mancherlei Hinsicht bewegenden Angelegenheit gemacht hat, im Alter von 85 Jahren gestorben.

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