NS-Malerei im Museum : Georg Baselitz leidet unter Kunstscham
Das Museum ist eine Instanz der Kanonisierung. Aber man möchte dort nicht nur sehen, was der Direktor als schön oder bedeutend ansieht oder was einem selbst gefällt. Das Museum soll etwas für unsere Bildung tun. Es unterrichtet auch darüber, was man früher als schön empfunden oder als bedeutend hingestellt hat. Wir wandern im Museum durch die Kunstgeschichte und sehen mit eigenen Augen, wie relativ jeder Kanon ist. Einem ungewöhnlich abrupten Geschmackswandel verdankt sich ein spezieller Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. 1945 beschlagnahmten die Alliierten den Kunstbesitz nationalsozialistischer Funktionsträger und Organisationen. Was nicht als Raubgut identifiziert und restituiert wurde, fiel später dem bayerischen Staat zu. Diese „Überweisungen aus Staatsbesitz“ zeigen einerseits, dass der Kunstgeschmack etwa eines Hermann Göring sich bei den älteren Epochen mit den Präferenzen des Sammlermarkts vielfach überschnitt; daher kann man in diesem Konvolut immer noch Raubkunst entdecken. Andererseits erbte der entnazifizierte Staat auch einen Haufen Werke einer soeben noch zeitgenössischen Kunst, die gemäß ästhetischen Idealvorstellungen der Nationalsozialisten produziert worden war.