Umgang mit NS-Raubgut :
Warum das Schiedsgericht der richtige Weg ist

Gastbeitrag
Von Erhard Grundl
Lesezeit: 3 Min.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne)
Claudia Roth macht, was machbar ist: Künftig kann im Streitfall um die Restitution von NS-Raubgüter das Schiedsgericht einseitig angerufen werden. Das ist eine gute Nachricht.
Merken

Selten waren sich Sachverständige so einig wie in den öffentlichen Anhörungen im Kultur- und Rechtsausschuss des Bundestags zur Restitution von NS-Raubgut. Fast unisono empfahlen sie, den Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums „zur erleichterten Durchsetzung der Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt ent­zogenem Raubgut“ (20/13258) abzulehnen. Da NS-Raubgut, gemäß Paragraph 937 BGB, meist durch Ersitzung erworben worden sei, würde man vor Gericht scheitern.

Nur bei bösgläubigem, also wissentlichem Erwerb von Raubgut wäre eine Ersitzung ausgeschlossen, was zu beweisen nach fast 80 Jahren kaum möglich sein dürfte. Im Grunde, so Rechtsanwalt Christoph Partsch, müsse man davon ausgehen, dass kein guter Glaube bestand, wenn die Provenienz zwischen 1933 und 1945 nicht bei Erwerb positiv geklärt wurde. Erforderlich sei eine Beweislastumkehr, zu regeln durch ein Restitutionsgesetz.

An die Stelle des soft law tritt fixiertes Recht

Das sei eine „Frage der lege ferenda in einer zukünftigen Wahlperiode“, sagte der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling im Rechtsausschuss. Und die Vorsitzende des Kulturausschusses, Katrin Budde (SPD), äußerte die Hoffnung, dass der nächste Bundestag ein „klares Restitutionsgesetz aufschreiben wird“.

Die Beratende Kommission hat sich zwar redlich bemüht, kam aber in 20 Jahren nur auf 24 Empfehlungen. Im Fall des Gemälde „Junges Mädchen“ von Paula Modersohn-Becker dauerte es drei Jahre, bis die Hamburger Kunsthalle einer Anrufung der Kommission zustimmte. Im Streit um Picassos „Madame Soler“ wird eine Anrufung von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen bislang abgelehnt. Nun, nach 15 Jahren, will sich Bayern einer Bewertung stellen, erklärte Kunstminister Markus Blume (CSU).

Dahinter steckt allerdings nicht etwa Einsicht, sondern Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Sie hatte sich bereits im März 2024 mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden darauf verständigten, die Beratende Kommission zu einer Schiedsgerichtsbarkeit weiterzuentwickeln. Soeben hat das Bundeskabinett der Einrichtung des Schiedsgerichts zugestimmt. Die Mehrheit der Länderkabinette hat ebenfalls bereits Beschlüsse gefasst. Nun kann das Schiedsgericht im Streitfall also einseitig angerufen werden, wodurch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zur Prüfung gezwungen wären. An die Stelle des soft law der Beratenden Kommission tritt damit fixiertes und sicheres Recht.

Ein Verzeichnis der Schiedsrichter soll zeitnah von BKM, Ländern, Kommunen sowie dem Zentralrat der Juden und der Jewish Claims Conference benannt werden. Die Anrufung des Schiedsgerichts ist kostenfrei, nur Kosten für eigene Anwälte sind selbst zu tragen. Die Provenienzforschung soll gestärkt, nach drei Jahren oder zehn Schiedssprüchen soll die Ar­beit evaluiert werden. Noch in diesem Jahr soll das Schiedsgericht seine Arbeit aufnehmen. So lange wird die Beratende Kommission weiterarbeiten.

Anders als der Gesetzentwurf traf die Einrichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit in den Anhörungen auf Zustimmung. Daniel Botmann, der Geschäftsführer des Zentralrats, macht jedoch ein Hauptpro­blem aus. Privatleute, die möglicherweise NS-Raubgut besitzen, können nicht gezwungen werden, Ansprüche prüfen zu lassen. Rechtsanwalt Partsch betonte, dass es das Schiedsgericht nicht brauchte, wenn es ein Restitutionsgesetz gäbe.

Claudia Roth hat sich dennoch für das Machbare entschieden, denn die Widerstände gegen ein Restitutionsgesetz sind erheblich. Sie hat eine außergerichtliche Stelle zur Streitbeilegung initiiert, deren Schiedssprüche bindend sind. Das ist ein Systemwechsel und weist in die richtige Richtung. Ihre Initiative wird dem Handlungsbedarf gerecht, den die Aussagen der Kulturpolitiker von Union und SPD zur Restitution verdeutlichen. Daran wird sich die nächste Bundesregierung messen lassen müssen.

Denn mit einer Resolution im Deutschen Bundestag zum Schutz jüdischen Lebens ins Deutschland ist es nicht getan. Wer Antisemitismus bekämpfen und jüdisches Leben schützen will, muss die offenen Gerechtigkeitsfragen in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus beantworten. Die Restitution von geraubtem jüdischen Kulturgut ist eine offene Wunde. Es ist Zeit, sich dem endlich zu stellen. Ein Restitutionsgesetz muss her mit Regelungen, die auch Entschädigungen auslösen. Alles andere ist wohlfeil. Dafür ist der Weg jetzt bereitet.

Erhard Grundl ist kultur- und medienpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.
  翻译: