Biennale Venedig : In Diskursgewittern
In Venedig ist die Biennale frisch eröffnet. Den Besuchern macht es die kuratierte Ausstellung nicht leicht. Denn die besten Werke finden sich in den Länderpavillons.
Die 56. Kunst-Biennale fängt anders an als die der vergangenen Jahre. Sie beginnt mit einer Mauer, auf der ein Text steht, der gelesen werden muss, bevor man den zentralen Pavillon betritt, die große Ausstellungshalle in den Gärten, den Giardini. Noch vor zwei Jahren, bei der vorigen Biennale, bildeten die Traumbilder des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung den Auftakt; vor vier Jahre waren es Tintorettos Gemälde aus dem sechzehnten Jahrhundert, die für die Dauer der Ausstellung aus dem alten Venedig auf das Biennale-Gelände umzogen. Nun, im Jahr 2015, gibt es keinen Rückblick in die Vergangenheit oder Kunstgeschichte. Die Gegenwart zählt - und eben das Wort des künstlerischen Direktors Okwui Enwezor, das schon im ersten Satz wütend klingt. Kein „einheitliches Sehfeld“, steht dort auf der Mauer zu lesen, wolle man mit der Schau „All the World’s Futures“ bieten. Sondern drei „miteinander verbundene Filter“. Das Projekt „Das Kapital Oratorio“ sei ein solcher Filter, dafür habe der Architekt David Adjaye den Raum einer Arena entworfen, in der täglich Lesungen aus Karl Marx’ Hauptwerk stattfinden werden.