Unerwartete Entscheidung : Die Zinserhöhung ist abgesagt

Ökonomen hatten mit Zinsschritten gerechnet, doch die britischen und die Schweizer Notenbanker halten ihre Leitzinsen stabil. Das Pfund verliert.
Gleich zwei wichtige Notenbanken haben am Donnerstag die eigentlich von Ökonomen mehrheitlich erwarteten Zinserhöhungen abgesagt. Die britische Notenbank entschied überraschend mit knapper Mehrheit, den Leitzins unverändert bei 5,25 Prozent zu lassen. Das Pfund reagierte mit Verlusten. Der Kurs fiel am Donnerstagnachmittag zeitweise um mehr als 0,5 Prozent bis auf 1,15 Euro. Das war der niedrigste Stand seit Mai.
Ökonomen hatten zuvor noch überwiegend mit einer Zinserhöhung in London auf 5,5 Prozent gerechnet. Doch die Bank of England entschied nun, dass der Inflationsdruck nachlasse und daher aktuell kein weiterer Zinsschritt nötig sei. Der Beschluss fiel knapp mit fünf gegen vier Stimmen im geldpolitischen Komitee MPC. Das Votum von BoE-Gouverneur Andrew Bailey gab den Ausschlag. „Die Inflation ist in den vergangenen Monaten viel gesunken, und wir glauben, dass sie das weiter tun wird“, sagte Bailey. Im August sank die Teuerungsrate von 6,8 auf 6,7 Prozent, obwohl die Benzinpreise stiegen. Viele Ökonomen verweisen indes auf die hohe Kerninflationsrate und steigende Dienstleistungspreise. Weiter entschied die Notenbank, im kommenden Jahr ihren Anleihebestand um 100 Milliarden Pfund auf 658 Milliarden Pfund zu verringern. Damit wird sie die sogenannte „Quantitative Straffung“ um 20 Milliarden Pfund beschleunigen.
Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) entschied am Donnerstag überraschend, den Leitzins unverändert bei 1,75 Prozent zu belassen. Die Mehrzahl der Ökonomen hatten zuvor eine Anhebung um 0,25 Prozentpunkte prognostiziert. Dazu könnte es nun aber auch noch zu einem späteren Zeitpunkt kommen. „Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorbei“, sagte der SNB-Präsident Thomas Jordan vor Journalisten in Zürich.
Man werde im Dezember entscheiden, ob eine weitere Straffung der Geldpolitik notwendig sei, um Preisstabilität zu gewährleisten. Preisstabilität herrscht nach der Definition der SNB dann, wenn sich die Teuerung zwischen 0 und 2 Prozent bewegt. Im August lag die Inflation bei 1,6 Prozent. Den Rückgang der Teuerung, die in der Schweiz in der Spitze 3,5 Prozent betragen hatte, führte Jordan vor allem auf den geringeren Preisanstieg bei importierten Waren und Dienstleistungen zurück. Er rechnet aber damit, dass die Inflation infolge steigender Mieten und Energiepreise wieder etwas steigen wird. Für dieses und das kommende Jahr erwartet die SNB im Durchschnitt eine Teuerung von 2,2 Prozent.
Anders als die britischen und schweizerischen Notenbanker haben die schwedische Reichsbank und die norwegische Zentralbank ihre Leitzinsen am Donnerstag jeweils um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Analysten hielten es für wahrscheinlich, dass dies in Schweden und Norwegen vorerst die letzten Zinsschritte sein werden.