Zehntausende demonstrieren in Budapest gegen Orbán

In Budapest sind am Samstagnachmittag Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu demonstrieren. Zu der Demonstration aufgerufen hatte der Rechtsanwalt Péter Magyar, der bis vor Kurzem ein Mitglied von Orbáns national-konservativer Partei Fidesz war und nachgeordnete Posten im Staatsapparat innehatte. Magyar kritisierte in seiner Rede Korruption und schlechte Regierungsführung und forderte: „Wir wollen unsere Heimat zurück.“ Vonseiten des Fidesz wurde er in ersten Reaktionen als „Linker“ bezeichnet. Es wurde unterstellt, dass er sich aus dem Ausland finanzieren lasse. Die Demonstranten füllten den Kossuth-Platz vor dem ungarischen Parlament sowie einige Seitenstraßen, wie Fotos unabhängiger Medien zeigen. Auf dieser Grundlage wurde geschätzt, dass es mehr als 100.000 Demonstranten gewesen seien. Magyar sprach von mehr als 300.000 Teilnehmern. Das äußere Bild mit vielen Fahnen und Kleidungsstücken in den Farben der ungarischen Flagge ähnelte dabei Kundgebungen, wie sie sonst vom Fidesz abgehalten werden. Das letzte Mal, dass sich eine so große Zahl an Demonstranten gegen die Regierung Orbán mobilisieren ließ, war Ende 2014, Anfang 2015. Damals richtete sich der Protest gegen ein konkretes Vorhaben, das potentiell jeden Einzelnen betroffen hätte, nämlich eine Internetsteuer; das Projekt wurde damals wieder zurückgezogen. Magyar hat seit Mitte März bereits dreimal zu Kundgebungen aufgerufen, auch die beiden vorherigen Male kamen einige Zehntausend Teilnehmer. Für Mai kündigte er nun eine vierte Veranstaltung an. Außerdem will er an den Europawahlen am 9. Juni teilnehmen. Dafür müsste er allerdings mit einer bestehenden und registrierten Partei kooperieren, denn für eine Neuanmeldung ist die Frist abgelaufen. Welche Partei das sein soll, hat Magyar bislang nicht mitgeteilt. Erst kaum bekannt, dann viel beachtet Bis Anfang dieses Jahres war Magyar noch weithin unbekannt und allenfalls in Society-Blättern als Ehemann der früheren Justizministerin Judit Varga zu sehen gewesen; die beiden haben sich 2023 scheiden lassen. Als im Februar dieses Jahres Varga wegen einer Begnadigungsaffäre, wegen der auch Staatspräsidentin Katalin Novák zurücktreten musste, ihren Rückzug aus der Politik ankündigte, meldete sich Magyar mit einem viel beachteten Interview zu Wort. Aufmerksamkeit fand er vor allem mit Vorwürfen der Korruption und des Machtmissbrauchs, namentlich durch Orbáns Kabinettschef und Minister Antal Rogán, dem die Nachrichtendienste unterstellt sind. Solche Vorwürfe sind in den vergangenen Jahren von vielen anderen erhoben worden, doch nun kamen sie von einem, der bislang selbst ein Insider des Systems war, wenn auch nicht an herausgehobener Stelle. Magyar leitete einige Jahre eine staatliche Agentur, die für die Vergabe von Studentenkrediten zuständig ist. Zuletzt legte er einen heimlichen Mitschnitt aus einem Gespräch mit seiner damaligen Ehefrau Varga vor, in dem es um angeblich manipulierte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ging. Varga warf ihm ihrerseits Einschüchterung und Erpressung vor. Auf der Kundgebung am Samstag sagte Magyar, die Machthaber fürchteten um „den gestohlenen Reichtum“ und ihre Macht. Angst hätten sie nicht vor ihm, Magyar, sondern „vor euch“, der Masse an Demonstranten. Kritik übte er auch an der bisherigen Opposition, deren stärkste Kraft die Partei DK des früheren Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány ist. Vor 20 Jahren sei „die ungarische Uhr stehen geblieben“, unverändert sei „das Duo Orbán und Gyurcsány“, sagte Magyar. Es gelte jetzt, nicht neue Gräben auszuheben, sondern Brücken zu bauen. Fidesz-Kommunikationschef Tamás Menczer bezeichnete Magyar als „Dollar-Linken“, der aus dem Ausland finanziert werde und wie die anderen Oppositionsparteien nichts als Krieg, Migranten und Genderpropaganda wolle.