Gewalt an Schulen : Wenn der Vater den Lehrer angreift
Lehrer und Lehrerinnen in Deutschland werden von Schülern und Eltern immer häufiger psychisch und physisch bedroht. Das ergab eine Längsschnittbefragung von 1311 Schulleitungen durch den Verband Bildung und Erziehung (VBE). „Die Gewaltbereitschaft stagniert auf einem hohen Niveau. Wir hatten gehofft, dass wir die Politik mit den bisherigen Daten wachrütteln konnten. Das ist nicht geschehen“, sagte Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes am Freitag in Stuttgart.
Der Verband befragt seit 2018 die Schulleitungen im Bund und in Baden-Württemberg regelmäßig zu dem, was sie über direkte körperliche Gewalt, Cybermobbing und psychische Gewalt berichten können. Für die aktuelle Umfrage, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Forsa, berichteten 65 Prozent aller befragten Schulleitungen von Mobbing-, Belästigungs- und Bedrohungsfällen, die sich gegen einzelne Lehrkräfte gerichtet hätten.
36 Prozent der national befragten Schulleitungen berichteten laut der Umfrage von Cybermobbing-Vorfällen, also von Diffamierungen oder Belästigungen von Lehrern im Internet. Jede dritte Schulleitung in Deutschland (36 Prozent) meldete physische, gewaltsame Bedrohungen von Lehrkräften. Im Jahr 2018 gab es nur an 26 Prozent der Schulen körperliche Übergriffe. Auch wenn die Zahl der Vorfälle seit 2020 nicht mehr sprunghaft zunimmt, hält der Verband die Entwicklung für alarmierend.
Es häufen sich auch die Fälle, bei denen Eltern gegenüber Lehrern gewalttätig werden. Brand schilderte einen besonders krassen Fall: An einer Schule in Ostwürttemberg sei es zu einem Streit über sogenannte Elterntaxis gekommen. Eine Mutter brachte ihr Kind mit dem Auto zur Schule und wollte es auch in den Klassenraum begleiten. Am Eingang des Schulgebäudes versuchte ein Lehrer, das zu verhindern, worauf die Mutter dem Lehrer drohte und sagte, er werde das bereuen. Schließlich erschien kurze Zeit später der Ehemann und Vater auf dem Pausenhof, wo er den Lehrer dann körperlich angriff, sodass dieser stürzte.
Brand sagte, die Umfrageergebnisse müssten die Kultusministerien endlich wachrütteln, leider hätten viele Schulleiter den Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen die Gewaltvorfälle tabuisieren wollten. Der Migrationshintergrund der Täter wird in der Umfrage nicht erhoben. Unter den Tätern im Schüleralter, sagte Brand, seien Deutsche, Deutschtürken oder Russlanddeutsche.
„Ich kenne Schulen, an denen die Schüler zu 96 Prozent katholisch sind und nur ein Elternteil arbeitet. Da ist heile Welt. Im Mannheimer Stadtteil Jungbusch haben 96 Prozent der Schüler Migrationshintergrund. Dort sieht es anders aus.“ Der Respekt gegenüber schulischen Autoritäten nehme ab, der Stress der Elternhäuser übertrage sich auf die Kinder, sagte Brand. In der Gesellschaft nehme die Fähigkeit ab, auch einmal auf eigene Vorteile zu verzichten. Es fehlten vor allem Schulpsychologen: Nach Berechnungen des VBE ist in Deutschland ein Schulpsychologe für 5218 Schüler zuständig.