Johnson-Rücktritt : Ein sinkendes Schiff
Nach den bizarren Chaostagen in Westminster hat Boris Johnson seinen Rücktritt als Tory-Parteichef verkündet, er will aber noch bis Herbst als britischer Premierminister im Amt bleiben. Das kann nicht gut gehen. Politisch wäre es Harakiri für die Konservativen, wenn sie eine lange Hängepartie bis zum Parteitag im Oktober zuließen. Und es verstärkt die ökonomische Unsicherheit.
Der Eindruck einer Regierung, die wie ein sinkendes, orientierungsloses Schiff feststeckt, ist Gift für die Wirtschaftsstimmung. Schon jetzt ist das Konsumentenvertrauen auf der Insel wegen der Inflation in den Keller gesunken. Die Teuerungsrate, getrieben durch die Energierechnungen, dürfte sich noch beschleunigen und zweistellig werden. Hinzu kommt der Effekt steigender Steuern und Sozialabgaben.
In dieser Situation richten sich viele Augen und Erwartungen auf den neuen Finanzminister Nadhim Zahawi, den Johnson am Dienstagabend ernannt hat, der sich dann aber öffentlich gegen ihn wandte. Zahawi hat angedeutet, dass es mit ihm baldige Steuersenkungen geben könnte. Nichts sei vom Tisch, sagt er. Sein Vorgänger Rishi Sunak war skeptisch, ob eine Steuersenkung, die die Konsumnachfrage stärkt, nicht die Inflation noch anheizen und dann eine schärfere Zentralbankreaktion mit höheren Leitzinsen auslösen würde. Es wäre ein Wagnis, jetzt eine stärker expansive Fiskalpolitik zu beginnen. Aber die große Frage lautet, ob Zahawi aktuell in der gelähmten Johnson-Regierung überhaupt die politische Kraft besitzt, eine Kursänderung anzustoßen. Wird er Finanzminister bleiben, wenn Johnson abtritt? Wird er gar Interimsregierungschef?
Solange das nicht geklärt ist, bleibt die künftige Richtung der Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Schwebe. Und damit geht auch die Unsicherheit für Unternehmen weiter, die beispielsweise nicht wissen, ob die Körperschaftsteuererhöhung von 19 auf 25 Prozent wie angekündigt nächsten April kommt. Investoren halten sich in einer solchen Situation erst einmal zurück. Die politische Instabilität droht die Konjunktur weiter zu belasten. Eine denkbar schlechte Ausgangssituation, falls ein neuer Regierungschef versuchen muss, das Schiff in Downing Street wieder flottzumachen.