Neue Zahlen von LVMH : Springt der Luxusmotor wieder an?
Auch in der erfolgsverwöhnten Luxusgüterindustrie wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Für diese Feststellung genügt der Blick auf den Kontostand von Bernard Arnault, dem Gründer, Chef und Großaktionär von Branchenprimus LVMH. Noch im vergangenen Sommer war der Franzose in der Rangliste des Finanzdiensts Bloomberg der reichste Mensch der Welt.
Doch mit dem Schwächeln der LVMH-Aktie lösten sich viele Luxusmilliarden in Luft auf – während die Amerikaner Jeff Bezos, Mark Zuckerberg und allen voran Elon Musk ihre Reichtümer mehrten. Zwischenzeitlich musste sich Arnault mit einem geschätzten Vermögen von deutlich weniger als 200 Milliarden Euro begnügen. Das reichte in der Bloomberg-Liste „nur“ noch für Platz fünf.
Auf der ganzen Welt sänken die Ausgaben für nicht zwingend notwendige Produkte, bilanzierten die Unternehmensberater von Bain & Company kürzlich mit Verweis auf die wirtschaftliche Unsicherheit und steigenden Preise. Rund 50 Millionen Kunden seien der Luxusgüterindustrie in den vergangenen zwei Jahren so abhandengekommen, und vor allem die junge Generation Z finde immer weniger Gefallen an teuren, das Gefühl von Exklusivität verleihenden Marken.
Luxusflaute
In China war und ist die Konsumflaute besonders stark ausgeprägt. Marken im Ultraluxussegment wie Hermès konnten sich in diesem schwierigen Marktumfeld behaupten. Für die massentauglicheren Produkte von Arnaults 75-Marken-Imperium LVMH galt das hingegen nicht.
Dessen am Dienstagabend veröffentlichten Geschäftszahlen sind vielmehr Ausdruck der Luxusflaute, die Wettbewerbern wie dem französischen Gucci-Mutterhaus Kering noch stärker zusetzt. Nach drei Rekordjahren in Folge präsentierte Arnault mit rund 85 Milliarden Euro einen stagnierenden Konzernumsatz. Leichte Zuwächse gab es im Geschäft mit Parfüm und Kosmetik, während sich Uhren und Schmuck etwas und Wein und Spirituosen deutlich schlechter verkauften.
Auch der Umsatz in der Kernsparte Mode- und Lederwaren mit den Flaggschiffen Louis Vuitton und Dior sank. Von den großen Absatzmärkten florierte das Geschäft nur in Japan. Der Reingewinn von LVMH fiel auf 12,5 Milliarden Euro, das ist ein herbes Minus von 17 Prozent.
Mit den hohen Erwartungen korrespondiert das nur bedingt
Bloß: Dass 2024 ein schlechtes Jahr für LVMH werden würde, war längst klar. So hatte sich die Geschäftsdynamik zum Sommer hin immer weiter abgeschwächt und damit auch die Zuversicht der Anleger. Ganz besonders die Ertragssäulen Mode- und Lederwaren hatten enttäuscht. Sie hatten im dritten Quartal fünf Prozent weniger umgesetzt, LVMH insgesamt in Asien ohne Japan sogar 16 Prozent weniger.
Mit Spannung wurde nun erwartet, ob zum Jahresende eine Trendwende gelang. Anleger schöpften zuletzt Hoffnung: Seit Mitte November hat der LVMH-Aktienkurs rund 30 Prozent zugelegt. Der Luxusgüterriese ist inzwischen wieder das wertvollste börsennotierte Unternehmen Europas, vor dem dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk.
Die neuen Geschäftszahlen liefern für eine Trendwende jedoch kein klares Bild. Zwar wurde die Erwartung vieler Analysten, wonach der Umsatz im Schlussquartal 2024 weiter gesunken sei, mit einem Plus von einem Prozent signifikant übertroffen. Auch macht die Umsatzentwicklung in den großen Märkten USA und Europa Mut, wo es zum Jahresende um drei bis vier Prozent aufwärtsging.
Arnault selbst zeigte sich am Dienstag „sehr zuversichtlich“ mit Blick auf 2025. Insbesondere hob er – mit Seitenhieb in Richtung seiner französischen Heimat – den „optimistischen Wind“ in Amerika hervor, wo die Politik die Wirtschaft mit attraktiven Rahmenbedingungen wie niedrigen Steuern fördere; Donald Trumps Amtseinführung wohnte der Luxusmilliardär vor wenigen Tagen mitsamt Ehefrau und zwei seiner Kinder bei, die beiden Männer eint die frühere Tätigkeit im Immobiliengeschäft.
Anhaltend schwache Zahlen aus der Mode- und Lederwarensparte von LVMH stimmen jedoch skeptisch, ob der Luxusmotor tatsächlich wieder angesprungen ist. So sank ihr Umsatz im Schlussquartal immer noch leicht um ein Prozent. Und zumindest in Fernost kann von einer Trendwende keine Rede sein: In der von China dominierten Absatzregion Asien betrug das Umsatzminus im Schlussquartal zehn Prozent, zugleich schwächte sich das Plus in Japan von außergewöhnlichen 57 und 20 Prozent in den Vorquartalen auf acht Prozent ab.
Mit den hohen Erwartungen der Börse korrespondiert all das nur bedingt. In den vergangenen Tagen verwandelte sie sie sogar in regelrechte Euphorie, nachdem der Schweizer LVMH-Konkurrent Richemont für das vierte Quartal Rekordzahlen vermeldete, getragen von der großen Beliebtheit seiner Schmuckmarken Cartier und Van Cleef & Arpels.
Keine großen Veränderungen geplant
Am Mittwoch war von der Euphorie nichts mehr zu spüren. Zum Börsenstart notierte der Aktienkurs von LVMH rund fünf Prozent im Minus. Arnaults Optimismus vom Vorabend überzeugte Analysten und Anleger nicht. „Ich glaube, dass wir im Jahr 2025 alle Trümpfe in der Hand haben, um unsere Position als Marktführer in Luxusmärkten weiter zu verbessern“, hatte der LVMH-Chef zu Protokoll gegeben.
Das war auch eine klare Absage an Marktgerüchte, wonach die darbende Wein- und Spirituosensparte Moët Hennessy mit ihren 27 Marken auf dem Prüfstand stehen könnte. Vor wenigen Tagen hatte der britische Getränkekonzern Diageo wiederum dementiert, er erwäge einen Verkauf seines Minderheitsanteils an der LVMH-Sparte. „Die Welt normalisiert sich“, beschwichtigte Arnault mit Blick auf das Geschäft mit hochwertigem Alkohol. Tatsächlich macht sich das Abflauen der Post-Corona-Booms nicht nur bei LVMH bemerkbar. Der Champagner-Dachverband vermeldete für 2024 ein Absatzminus von rund neun Prozent.
Stärker als andere Getränkehersteller leidet LVMH jedoch zusätzlich unter den Handelsspannungen mit China, seitdem Peking als Reaktion auf die höheren Autozölle europäischen Branntwein mit einem Importaufschlag belastet. Die Cognac-Marke Hennessy trifft das schwer. Und auch zusätzliche Handelsbarrieren mit Amerika besorgen die europäische Luxusgüterindustrie. Arnault hatte schon in Trumps erster Amtszeit seine Beziehungen spielen lassen und mit einer neuen Vuitton-Fabrik in Texas sein Bekenntnis zum Standort USA demonstriert – eine Rarität für die französische Luxusgüterindustrie, die grundsätzlich mit einer Produktion 100 Prozent made in France wirbt.
Mit zwei älteren Handtaschenfabriken von Vuitton in Kalifornien hatte sich LVMH diesbezüglich gleichwohl schon vorher flexibler gezeigt als etwa Hermès. Durch den Kauf der Schmuckmarke Tiffany kamen vier Produktionsstätten in den USA hinzu. Zudem betreiben die LVMH-Marken Chandon, Joseph Phelps, Colgin Cellars und Newton Weinberge und produzieren die Whiskey-Marken Woodinville und SirDavis in Washington und Texas. Zuzüglich knapp 1200 Boutiquen entfallen inzwischen knapp 43.000 der global 215.000 Beschäftigten auf die USA, etwas mehr als auf die französische Heimat.
Auf Konzernebene sind bei LVMH trotz des schwierigen Marktumfelds vorerst keine großen Veränderungen geplant, nachdem es in den vergangenen Monaten zahlreiche Personalwechsel gab. So rückt Jean-Jacques Guiony nach knapp 20 Jahre als Finanzchef an die Spitze von Moët Hennessy. Ihm als Stellvertreter zur Seite gestellt wird Arnaults drittältester Sohn Alexandre, der bislang in Diensten von Tiffany steht.
Für Aufsehen hatte im November der plötzliche Abgang der LVMH-Personalchefin Chantal Gaemperle wegen mutmaßlich unrechtmäßig erhaltener Sachleistungen gesorgt. Konzernchef Arnault selbst bleibt derweil auf seinem Thron sitzen. Im März wird er 76 Jahre alt, das Alterslimit hatte er in der Konzernsatzung vorsorglich auf 80 Jahre anheben lassen. Seine Nachfolgepläne bleiben unbekannt.