Teures Urteil in Russland : Wer russische Geschäftspartner reizt
Geschäfte in Russland erweisen sich im Zuge von dessen Invasion in die Ukraine als Mühlstein. Das merken jetzt verstärkt österreichische Flaggschiffe. Deren Versuche, sich aus dem Markt zurückzuziehen, kommen teuer. Ein Urteil eines russischen Gerichts, wonach die Aktionäre des Baukonzerns Strabag zwei Milliarden Euro zahlen sollen, nötigt den russischen Ableger der Raiffeisen Bank International (RBI) zu einer hohen Rückstellung.
Die AO Raiffeisenbank wird entsprechend internationaler Bilanzierungsregeln und dem russischen Rechnungslegungsstandard für das vierte Quartal eine Rückstellung buchen, teilte die Raiffeisen Bank International (RBI) am Montagabend mit und kündigte an, gegen das Urteil in Kaliningrad Berufung einzulegen.
„Die Raiffeisenbank Russland ist zu Unrecht in den Rechtsstreit zwischen der Strabag, deren Kernaktionären und der Rasperia hineingezogen worden. Sie wird in Russland gegen das Fehlurteil Berufung erheben und abhängig von den weiteren Entwicklungen vor den russischen Gerichten gemeinsam mit der RBI in Österreich rechtliche Mittel gegen Rasperia ergreifen“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Johann Strobl.
Ein Gericht in Kaliningrad hatte am Montag entschieden, dass Strabag und seine Kernaktionäre, Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien, Uniqa und die Familie Haselsteiner, dem russischen Miteigentümer Rasperia Trading Limited 2,044 Milliarden Euro zahlen müssen und dass das Urteil gegen Vermögenswerte der russischen RBI-Tochtergesellschaft vollstreckt werden kann.
RBI erklärte, sie werde abhängig von weiteren Entwicklungen vor den russischen Gerichten auch in Österreich rechtliche Schritte einleiten, um zur Schadensminderung auf Vermögenswerte von Rasperia in Österreich zugreifen zu können. Die Rückstellung werde nach Vorliegen eines externen Prüfungsurteils den der Rasperia vom russischen Gericht zugesprochenen Betrag berücksichtigen abzüglich der erwarteten Erlöse aus der Vollstreckung von Ansprüchen in die österreichischen Vermögenswerte von Rasperia. Diese bestehen laut RBI aus 28,5 Millionen Strabag-Aktien, einschließlich den damit verbundenen Dividendenansprüchen für 2021, 2022 und 2023 sowie dem Ausschüttungsanspruch aus einer im März 2024 erfolgten Kapitalherabsetzung.
Besitzerwechsel bei Rasperia wurde rückgängig gemacht
Die 28,5 Millionen von Rasperia gehaltenen Strabag-Aktien sind an der Wiener Börse derzeit rund 1,2 Milliarden Euro wert. Wie hoch RBI die österreichischen Vermögenswerte der Rasperia insgesamt einschätzt, soll bis zur Veröffentlichung der vorläufigen Ergebniszahlen am 4. Februar feststehen. Vorige Woche hatten Vertreter der RBI gegenüber der Austria Presseagentur unterstrichen, dass sie den Wert der Strabag-Aktien des russischen Aktionärs jedenfalls „deutlich niedriger“ als Rasperia selbst einschätzten. Der Strabag-Aktionär war offiziell bis zumindest Dezember 2023 vom russischen Unternehmer Oleg Deripaska kontrolliert worden - im Zusammenhang mit EU-Sanktionen gegen Deripaska im Frühjahr 2022 nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine war seine Gesellschaft, die knapp 28 Prozent der Strabag-Aktien hielt, jedoch im Baukonzern de facto entmachtet worden.
Wer den russischen Aktionär des österreichischen Baukonzerns nun kontrolliert, ist unbekannt. Ein im Dezember 2023 erfolgter Besitzerwechsel von Rasperia, der in Folge von der amerikanischen Sanktionsbehörde OFAC sowie dem Rat der Europäischen Union als Sanktionsumgehungsversuch Deripaskas interpretiert wurde, wurde nach einer Strabag-Beteiligungsmeldung im Dezember 2024 wieder rückgängig gemacht. Wie in der Vergangenheit gehört Rasperia nun Valtoura Holdings Limited – beide russischen Gesellschaften haben ihren Sitz in Kaliningrad. Der offizielle ehemalige Besitzer selbst will nichts mehr mit diesen Firmen zu tun haben: „Oleg Wladimirowitsch (Deripaska, Anm.) ist weder Aktionär von Valtoura, noch von Rasperia“, erklärte eine Deripaska-Sprecherin am Montagabend gegenüber der APA.
Wie es in der RBI-Aussendung weiter heißt, sollen nach dem russischen Gerichtsurteil auch die Eigentumsrechte an den von Rasperia gehaltenen Strabag-Aktien an die AO Raiffeisenbank übertragen werden. Die RBI erklärt dazu, dass russische Urteile in Österreich keine bindende Wirkung hätten, weshalb die Übertragung der Aktien nicht durchsetzbar sei. Darüber hinaus seien die Strabag-Aktien der Rasperia aufgrund von EU-Sanktionen eingefroren.
Ausgangspunkt für den seit August 2024 in Kaliningrad anhängigen Gerichtsstreit ist der Konflikt des russischen Strabag-Aktionärs mit österreichischen Aktionären des Baukonzerns. Rasperia war offiziell bis zumindest Dezember 2023 vom russischen Unternehmer Oleg Deripaska kontrolliert worden – im Zusammenhang mit EU-Sanktionen gegen Deripaska im Frühjahr 2022 war seine Gesellschaft, die seinerzeit knapp 28 Prozent der Strabag-Aktien hielt, jedoch im Baukonzern de facto entmachtet worden.
Rechtsmittel des russischen Aktionärs dagegen scheiterten vor österreichischen Gerichten und mittlerweile beschäftigt sich auch ein Schiedsgericht in Amsterdam mit der Angelegenheit. Im Zusammenhang mit Sanktionsrisken wurde im Mai 2024 aber auch der ambitionierte Plan der Raiffeisenbank Russland abgesagt, Rasperias Strabag-Aktien zu erwerben und sie als Sachdividende an den Mutterkonzern RBI nach Österreich zu übertragen. Als formaler Aufhänger für von der Raiffeisenbank Russland geforderten Schadensersatz fungiert Strabag-Aktienbesitz der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien. Diese Holding ist Eigentümerin der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich, welche ihrerseits 25 Prozent am Mutterkonzern der Raiffeisenbank Russland, RBI, hält.