CCS-Gesetz :
Warnung vor Kohlendioxidspeicher in der Nordsee

Von Christian Geinitz, Berlin
Lesezeit: 3 Min.
Ein Beispiel für CCS-Technik: die Anlagen des Projekts „Northern Lights“ in Norwegen
Das Öko-Institut ermittelt 2000 Kilometer Röhrenbedarf und einen erheblichen CO₂-Ausstoß. Das geplante CCS-Gesetz kommt vorerst doch nicht.
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Die Umweltschutzorganisation WWF-Deutschland sieht die geplante Lagerung von Kohlendioxid im Meeresboden kritisch. Das Verfahren, das mit der „Carbon-Management-Strategie“ der Bundesregierung möglich werden soll, setze nicht nur selbst Treibhausgase frei, sondern bedeute auch einen Eingriff in die Ökosysteme auf See, heißt es in einer Studie des Freiburger Öko-Instituts für den World Wide Fund For Nature (WWF), die an diesem Dienstag erscheinen soll.

Die Analyse mit dem Titel „Aus den Augen – in die See?“ bezieht sich auf die nicht vermeidbaren Emissionen aus der Kalk- und Zementherstellung sowie aus der Abfallverbrennung. Nur für diese drei Ausstoßfelder sei die CO₂-Sequestrierung überhaupt vertretbar. Für das Jahr 2040 sei daraus mit 35 Millionen Tonnen CO₂ zu rechnen. Dafür brauche es neue Pipelines in Deutschland von 10.000 Kilometern Länge (siehe Karte), allein 2000 Kilometer in der Nordsee. Dieses Röhrennetz entspreche in etwa den Ausmaßen der Nord-Stream-Pipelines für Erdgas in der Ostsee, die nicht mehr in Betrieb sind.

Bau und Betrieb setzen zusätzliche Emissionen frei

Der Bau der neuen Kohlendioxidleitungen setze einmalig neun bis elf Millionen Tonnen CO₂ frei, der Betrieb noch einmal 3,9 Millionen Tonnen – jedes Jahr. Das wären mehr als zehn Prozent der jährlichen Abscheidemengen, bemängelt Heike Vesper, die im Vorstand von WWF Deutschland für Politik und Transformation verantwortlich ist: „Diese Emissionen sind bisher noch nirgends bilanziert.“

Eine auf Betreiben von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zustande gekommene Novelle des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes sieht vor, dass die Abscheidung, der Transport, die Verpressung sowie die Nutzung von CO₂ künftig auch in Deutschland möglich sein sollen. Zudem will man Modifikationen im Protokoll der Londoner Konvention zum Meeresschutz ratifizieren, wodurch der CO₂-Export möglich wäre. Der Kabinettsentwurf hat die zuständigen Ausschüsse und den Bundestag in erster Lesung passiert. Seitdem aber liegt das Vorhaben auf Eis, weil die Fraktionen von SPD und Grünen mit einigen Neuerungen hadern. Etwa damit, dass die CO-Abscheidung auch an Gaskraftwerken zulässig sein soll.

Hingegen hat die Union Zustimmungsbereitschaft signalisiert, sie bot an, die Gaskraftwerke auszuklammern. Tatsächlich haben sich Regierung und Opposition zu Wochenbeginn auf acht Gesetze geeinigt. Dabei ging es unter anderem um den Emissionshandel, um die Flexibilisierung von Solar- und Bioenergie. Auch stellt das neue ERP-Wirtschaftsplangesetz 2025 knapp 1,2 Milliarden Euro aus dem ERP-Sondervermögen bereit, damit die KfW-Bank 2025 zinsgünstige Finanzierungen und Beteiligungskapital von 11,7 Milliarden Euro ausreichen kann. Die CCS-Vorlage war nicht Teil der in der letzten regulären Sitzungswoche vor der Wahl am 23. Februar behandelten Vorhaben.

Meeresboden-Lagerung außerhalb von Schutzzonen geplant

Das Speichergesetz würde die Lagerung im Meeresboden nur außerhalb von Schutzzonen erlauben, an Land ist die Verpressung erst nach Beantragung der Bundesländer zulässig. Habecks Vorlage umfasst Industrien, in denen sich der CO₂-Ausstoß nicht vermeiden lässt, etwa die Zementherstellung. In diesen Zweigen dürfen die Techniken zur CO₂-Verpressung (CCS) sowie zur Nutzung (CCU) staatlich gefördert werden. Ohne Subvention zulässig sind sie dem Entwurf zufolge auch noch in Gaskraftwerken sowie für die Herstellung „blauen“ Wasserstoffs aus Erdgas. In vielen Branchen bleiben CCS und CCU indes verboten, etwa in der Kohleverstromung.

Der WWF fordert strenge Auflagen für den Umweltschutz sowie für die Anwendung von CCS und CCU. Die Einsatzmöglichkeiten müssten sich auf nicht vermeidbare Emissionen beschränken, keinesfalls dürfe die Technik dazu dienen, „fossile Energien künstlich am Leben zu erhalten“, so Heike Vesper im Einklang mit den Bedenken von SPD und Grünen. Ein Anschluss von Kohle- und Gaskraftwerken an die CO₂-Entsorgungsinfrastruktur sei auszuschließen: „Dies würde die wirkliche Emissionsminderung und die Transformation der Industrie gefährden und dem notwendigen schnellen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas hinterherlaufen.“

Was den Umweltschutz angehe, bildeten die Richtung Norwegen geplanten Pipelines aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden einen Knotenpunkt ausgerechnet in unmittelbarer Nähe zum Natura-2000-Schutzgebiet Doggerbank. Das könne „zu Konflikten mit den Schutzzielen dieses wertvollen Gebietes führen“. Falls die Röhren künftig zur kritischen In­frastruktur zählten, lenke das die Schleppnetzfischerei in immer kleinere Fanggebiete und belaste die Biodiversität.

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