EU regelt Zeitarbeit : Neue Arbeitszeitregelung stößt auf Kritik

Nach langen Verhandlungen haben die Arbeitsminister der Europäischen Union neue Regelungen zur wöchentlichen Arbeitszeit und zur Leiharbeit beschlossen. Gewerkschaften und Ärztevertreter zeigen sich besorgt.
Die EU-Arbeitsminister haben mehrheitlich neue gesetzliche Regeln zur Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit und zur Leiharbeit gebilligt. Der Kompromiss, der drei Jahre nach Beginn der Verhandlungen in Luxemburg ausgehandelt wurde, stieß am Mittwoch in den Mitgliedsländern auf ein unterschiedliches Echo. Er kann noch vom Europäischen Parlament geändert werden. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz sprach von „wichtigen Bausteinen eines sozialen Europas“, EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla von „einem großen Fortschritt für die europäischen Arbeitnehmer“. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) zeigte sich zufrieden mit der geplanten rechtlichen Gleichstellung der derzeit rund acht Millionen Leiharbeitnehmer in der EU. Irritiert äußerte sich Generalsekretär John Monks aber über die geplante Unterscheidung zwischen „inaktiven“ und „aktiven“ Bereitschaftsdiensten; letztere werden der Arbeitszeit zugerechnet.
Die seit Anfang 2006 gültige deutsche Regelung werde durch den jüngsten Luxemburger Beschluss nicht zur Disposition gestellt, sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. „Für deutsche Ärzte und andere Beschäftigte in Krankenhäusern ändert sich dadurch unmittelbar nichts“, erläuterte die SPD-Politikerin. In Deutschland werden nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom September 2003 Bereitschaftsdienste vollständig als Teil der Arbeitszeit gerechnet.
Die Mehrheit der EU-Länder befürwortet dagegen eine Unterscheidung zwischen „aktiven“ und „inaktiven“ Bereitschaftsdiensten - zum Beispiel jenen Zeiten, in denen ein Mitarbeiter Bereitschaftsdienst hat, aber im Krankenhaus schläft. Die EU-Regelung soll allerdings mit der Einschränkung versehen werden, dass davon abgewichen werden kann, wenn dies durch einzelstaatliche Gesetze oder Vereinbarungen der Tarifpartner geregelt wird. Vertreter von Organisationen deutscher Ärzte wie der Bundesärztekammer und dem Marburger Bund zeigten sich dennoch besorgt, dass an der deutschen Regelung gerüttelt werde. Auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, sprach von einem „sozialen Rückschritt“.
Mit der EU-Neuregelung zur Arbeitszeit sollen die 1993 verabschiedeten Vorschriften überarbeitet werden. Grundsätzlich bleibt es bei der gesetzlichen wöchentlichen Obergrenze von 48 Stunden. Gewerkschaften und einige sozialdemokratische Europaabgeordnete kritisierten, künftig würden mehr Ausnahmen von diesem Grundsatz möglich. Auch die Tatsache, dass Großbritannien seine damalige Ausstiegsklausel für weitere acht Jahre beibehalten könnte, stößt auf Vorbehalte.
Der Kompromiss zu den Arbeitszeitrichtlinien
Arbeitszeit-Richtlinie
-wöchentliche gesetzlich zulässige EU-Höchstarbeitszeit bleibt bei 48 Stunden (keine Auswirkungen auf Deutschland)
-individuelle Ausnahmen (bis zu 60 Stunden) bei Zustimmung des Arbeitnehmers
-bei Bereitschaftsdiensten - besonders in Kliniken - höchstens 65 statt bisher 78 Stunden
-Unterscheidung zwischen aktiven (als Teil der Arbeitszeit betrachteten) und inaktiven Bereitschaftsdiensten möglich (in Deutschland nicht beabsichtigt)
Zeitarbeit-Richtlinie
-Grundsatz der Gleichbehandlung für die acht Millionen Bürger mit Zeitarbeitsverträgen mit den übrigen Arbeitnehmern bei Entgelt, Urlaub und Mutterschaftsurlaub
-Abweichung nur aufgrund von Vereinbarungen der Tarifpartner möglich
-Mitgliedstaaten müssen Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ahnden
-Verpflichtung, Zeitarbeitskräfte über verfügbare Stellen mit unbefristeten Arbeitsverträgen zu informieren