Empörung in den Medien : Maßlose Vergleiche

Das Ziel ist Aufheizung: Die ZDF-Chefredakteurin vergleicht das Wahlergebnis in Thüringen mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Und auf Tiktok kursiert ein manipuliertes Video von Ricarda Lang.
Wer Aufmerksamkeit bei einem als ahnungslos behandelten Publikum erzeugen will, übertreibt gern. Mitunter maßlos. Dann wird leicht die Grenze zur Manipulation überschritten. Am zurückliegenden Wahlabend geschah das auf zweierlei Weise. Die Chefredakteurin des ZDF, Bettina Schausten, leitete ihren Kommentar zu den Ergebnissen in Thüringen und Sachsen mit der Erinnerung daran ein, dass vor genau 85 Jahren Deutschland (das Deutsche Reich) Polen überfallen habe, was zum Zweiten Weltkrieg und zum Mord an sechs Millionen Juden führte. Mittels der Begriffe „rechtsextremistisch“ für die AfD und „Faschist“ für Björn Höcke rechtfertigte sie den Vergleich. Zwar seien deren Wähler keine „Neonazis“, aber, „und das ist nicht weniger erschütternd“, es sei ihnen egal, rechtsextrem zu wählen.
Nun wäre es bei klarem Verstand durchaus mehr erschütternd, würde ein Drittel der Wähler in Thüringen sich als neue Nationalsozialisten verstehen. Wie viele von ihnen für einen Einmarsch in Polen oder in ein anderes Nachbarland plädieren würden, einen Weltkrieg oder einen Massenmord, haben die demoskopischen Dienstleister des ZDF bislang nicht erfragt. Die SA hatte im August 1932 fast eine halbe Million Mitglieder, die SS zählte mehr als 50.000. Wir müssen uns daher unter dem gegenwärtigen Faschismus – der auch schon Donald Trump, Giorgia Meloni oder Marine Le Pen attestiert wurde – etwas durchaus anderes vorstellen als unter dem herbeizitierten historischen. Der maßlose Vergleich mit dem 1. September 1939 verharmlost überdies das damalige Geschehen auf unanständige Weise.
Die andere Manipulation des Wahlabends bediente sich umgekehrt minimaler Mittel. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, kämpfte auf der Wahlparty ihrer Partei beim Blick auf die erste Hochrechnung erkennbar mit den Tränen. Das mag als unprofessionell melodramatisch erscheinen oder als Zeichen politischer Mitgenommenheit. Einem war es nicht melodramatisch genug. Auf Tiktok erschien das Bild bearbeitet, dort zitterten Langs Lippen, und es bebte ihr Kinn. Die Träne reichte also nicht, die Politikerin sollte dargestellt werden, als ob sie kurz vor einem Weinkrampf gestanden habe.