Miese Konjunktur :
Habeck: „Deutschland hängt in der Stagnation fest“

Von Julia Löhr, Berlin
Lesezeit: 4 Min.
Habeck am Mittwoch in Berlin
Die Wirtschaft kommt einfach nicht in Schwung, sagt der Wirtschaftsminister. Und warnt vor Trump und China.
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Die Hoffnung der Bundesregierung, vor der Wahl noch ein Signal für wirtschaftlichen Aufbruch geben zu können, geht nicht auf. Der am Mittwoch von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin vorgestellte Jahreswirtschaftsbericht ist vielmehr Zeugnis einer anhaltenden Wirtschaftsschwäche. Nachdem das Ministerium im Herbst für das Jahr 2025 noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um preisbereinigt 1,1 Prozent vorausgesagt hatte, sind es nun nur noch 0,3 Prozent. Mögliche höhere Importzölle der USA auf Produkte aus Europa sind in die Prognose noch nicht eingepreist. Für 2026 sagt die Regierung 1,1 Prozent Wirtschaftswachstum voraus.

„Deutschland hängt in der Stagnation fest“, sagte Habeck. Er führt das maßgeblich auf die Einhaltung der Schuldenbremse zurück. „Wir haben eine Bremswirkung durch die Fiskalpolitik.“ Deutschland sei „systematisch unterinvestiert“. Aufgabe der nächsten Regierung sei es, dies zu ändern. Es gehe nicht um eine Abschaffung der Schuldenbremse, sondern um eine Flexibilisierung und eine etwas höhere Verschuldungsquote. Zuletzt betrug der Schuldenstand in Relation zur Wirtschaftsleistung rund 64 Prozent. Habeck bezeichnete das Festhalten an der aktuellen Regelung als „Ideologie und Blauäugigkeit“. Er verwies darauf, dass inzwischen auch die Bundesbank für eine Reform sei.

Zweithöchste Steuer- und Abgabenlast unter allen Industrieländern

Er warnte auch vor den Folgen, die ein Verharren in der Stagnation haben könnte. „Die Attraktion von autoritären Regierungen ist deswegen so groß, weil sie ökonomisch erfolgreich sind“, sagte er mit Verweis auf China und den „libertären“ Stil der Regierung von Donald Trump in den Vereinigten Staaten. „Wenn wir es nicht hinkriegen, in Deutschland und in Europa auf dem eigenen Wertefundament die gleiche Technik zu entwickeln oder bessere, dann wird wahrscheinlich die Attraktion dieser politischen Modelle immer stärker werden.“ Um die Demokratie zu verteidigen, müsse die Wachstumsschwäche überwunden werden.

Für das laufende Jahr hofft das Ministerium auf einen Anstieg der Anlageinvestitionen und der Konsumausgaben. Der Index der GfK für das Konsumklima ist jedoch im Januar gesunken. Für Februar erwarten die Marktforscher einen weiteren Rückgang. Die Inflationsrate soll laut Prognose des Wirtschaftsministeriums 2025 wie schon im vergangenen Jahr mit 2,2 Prozent über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank für den Euroraum liegen. Ferner erwarten die Ökonomen des Ministeriums, dass die Arbeitslosenquote von 6,0 auf 6,3 Prozent steigt.

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Niedrige Produktivität

Eine Gruppe von Wirtschaftsverbänden veranstaltete am Mittwoch in mehreren deutschen Städten Demonstrationen für eine bessere Wirtschaftspolitik. Zu den Kernforderungen zählen niedrigere Steuern und weniger Bürokratie. Die vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft wandten sich in einer gemeinsamen Erklärung an die Bundesregierung und forderten ebenfalls umfassende Reformen.

Eine der Hauptursachen für die schlechte Lage ist die niedrige Produktivität. Anderen Ländern gelingt es, mit dem gleichen Arbeitsaufwand deutlich mehr zu erwirtschaften als Deutschland. „Seit 2000 wuchs die Arbeitsproduktivität in den USA um 43 Prozent und damit annähernd doppelt so stark wie in Deutschland“, konstatiert der Bericht. Treiber sei maßgeblich die starke Digitalbranche in Amerika. Als weitere Faktoren für die Wirtschaftsschwäche werden das schwierige geopolitische Umfeld sowie die Alterung der Gesellschaft benannt.

Durch den demographischen Wandel steige der finanzielle Druck auf die Sozialversicherungssysteme „merklich“. Habecks Ministerium gesteht zudem ein, dass auch die Transformation hin zur Klimaneutralität eine Rolle spielt. „Der notwendige Umbau der Wirtschaft auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität geht mit entsprechenden Kosten einher“, heißt es in dem Bericht.

Habeck mahnt für die kommenden Jahre ein „beherztes, entschlossenes Vorgehen“ an. Es brauche Impulse für mehr Investitionen. Das Ministerium wirbt dafür, die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen Änderungen an der Schuldenbremse umzusetzen. Größere finanzielle Spielräume für öffentliche Investitionen seien „zwingend“. In der Pressemitteilung zum Jahreswirtschaftsbericht macht das Ministerium noch deutlicher, dass die Schuldenbremse aus seiner Sicht eine Wachstumsbremse ist. „Die Bundesregierung konnte im vergangenen Jahr mit dem Ende der Notlage und der Rückkehr zur Schuldenbremse keine ausreichenden Impulse für eine konjunkturelle Belebung setzen“, heißt es dort. Habecks Partei wirbt ebenso wie die SPD im Wahlkampf offensiv für die Aufnahme zusätzlicher Schulden in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe. Union, FDP und AfD sind gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse.

Auch an einer anderen Stelle klingt im Bericht der Wahlkampf an. Es wird konstatiert, dass Deutschland die zweithöchste Steuer- und Abgabenlast unter allen Industrieländern hat, ein kinderloser Single knapp 48 Prozent seines Einkommens an den Staat abführen muss. „Vor diesem Hintergrund gilt es, die hohe Belastung der Arbeitseinkommen in den kommenden Jahren zu reduzieren oder zumindest zu stabilisieren, wobei die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen Priorität haben sollte.“ Habeck hatte kürzlich eine Debatte ausgelöst, weil die Grünen auch auf Kapitalerträge Krankenversicherungsbeiträge erheben wollen.

Er legt in seinen Forderungen den Schwerpunkt auf das Thema Arbeitskräfte. „Wir können allein schon ökonomisch nicht akzeptieren, dass jeder Fünfte zwischen 20 und 35 ohne Berufsabschluss ist“, sagte Habeck. Auch für Frauen und Ältere brauche es mehr Arbeitsanreize. Mit Blick auf die langen Genehmigungsverfahren in Deutschland fordert er in dem Bericht, die Geschwindigkeit, mit der zuletzt Flüssiggasterminals und Windkraftanlagen gebaut wurden, auf andere Wirtschaftsbereiche zu übertragen.

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