Machtdemonstration :
China könnte Trump über die Taiwanfrage herausfordern

Gastbeitrag
Von Philippe Welti, Daniel Woker
Lesezeit: 4 Min.
Das philippinische Versorgungsschiff Unaizah May 4 wird im März dieses Jahres von einer Wasserkanone der chinesischen Küstenwache getroffen.
Der neue amerikanische Präsident wird im Indopazifik bald Flagge zeigen müssen. Manches spricht nach Einschätzung von zwei ehemaligen Schweizer Botschaftern dafür, dass China ihn über die Taiwan-Frage testen wird.
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Nach dem Sieg von Donald Trump bei den Wahlen in den USA steht dessen Handelspolitik im Mittelpunkt medialer Beobachtung. China könnte aber Trump bald schon sicherheitspolitisch auf den Prüfstand stellen – mit weltumspannenden Folgen.

Taiwan erscheint als sicherheitspolitischer Test Xis für den neuen amerikanischen Präsidenten plausibler als die beiden anderen traditionellen Streitpunkte im Großraum Asien-Pazifik, die chinesische Expansion im Südchinesischen Meer oder die koreanische Halbinsel. Für den chinesischen Präsidenten ist Taiwan, was die Ukraine für sein russisches Gegenüber, Wladimir Putin, ist: ein Teil des eigenen autokratischen Staates, der keine erfolgreiche Demokratie auf „eigenem“ Gebiet duldet. Mit immer deutlicherer Rhetorik, er werde die abtrünnige Provinz Taiwan bald ins Reich Pekings zurückholen, hat Xi sich selbst unter Druck gesetzt.

Wirtschaftsprobleme treiben Xi um

Xi sieht sich zudem durch die aktuelle Wirtschaftsentwicklung bedrängt. Die chinesische Wachstumsmaschine läuft nicht mehr rund, und damit gerät sein autokratischer „Gesellschaftsvertrag“ in Gefahr – ständige Wohlstandsvermehrung im Gegenzug für das Fehlen politischer und auch persönlicher Freiheit. Weil Xi als lupenreiner marxistisch-leninistischer Ideologe der Privatwirtschaft, ja aller Privatinitiative misstraut, werden auch diesmal die Versuche zur Wirtschaftsbelebung via Staat gelenkt und geführt. Das aber droht wie in der Vergangenheit zu Fehlallokationen und übermäßiger Verschuldung von Provinzen und regionalen Körperschaften zu führen.

Taiwanesische Schützenpanzer Ende Mai auf einer Straße in Taipeh. China hatte die Führung der Insel vor dem Aufmarsch gewarnt und Manöver vor der Küste abgehalten.
Taiwanesische Schützenpanzer Ende Mai auf einer Straße in Taipeh. China hatte die Führung der Insel vor dem Aufmarsch gewarnt und Manöver vor der Küste abgehalten.AFP

„Joint Sword 2024 A“ und „Joint Sword 2024 B“ im Oktober gehörten zu den bislang größten und aggressivsten Militärmanövern der Volksbefreiungsarmee über und rund um Taiwan. Sie sind ein Vorgeschmack auf das, was der chinesische Präsident als Test für Trump im Schilde führen könnte. Wiederum in einer Parallele zu Putins Aggression gegen die Ukraine will Xi allenfalls ausloten, wie weit die USA und der Westen, hier eingeschlossen die asiatisch-pazifischen Westmächte Japan und Australien, bereit sind, eine befreundete Demokratie als solche auch ohne feste vertragliche Verbindung zu unterstützen und zu verteidigen. Zudem hat sich Trump mehrmals kritisch, ja abschätzig, zu Taiwan geäußert. Dessen klare amerikanische Rückendeckung, insbesondere in den vergangenen Jahren unter seinem Vorgänger Joe Biden, gehört der Vergangenheit an.

Ohne gleich zur schwersten Keule einer Invasion Taiwans zu greifen, könnte Xi den Zugang zur Insel erschweren bis hin zur völligen Blockade. Das aber würde beim internationalen Handel mit Halbleitern – bekanntlich zum Herzblut der technologiegetriebenen Wirtschaft gehörend – zu größeren Verwerfungen führen.

Das Ringen um die Philippinen

Auch das Verhalten der chinesischen Küstenwache in den zwei Meeresgewässern vor der Volksrepublik – dem Südchinesischen Meer gegenüber verschiedenen Ländern der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of South East Asian Nations, ASEAN) und dem Ostchinesischen Meer gegenüber Japan – wird immer aggressiver. In den davon stark betroffenen Philippinen sind aber US-Truppen direkt präsent, welche Washington auf der Basis einer festen Verteidigungsverpflichtung (Enhanced Defense Cooperation Agreement von 2014, erweitert 2023) gegenüber dem Gastland dort stationiert hat. Die Implikation der USA in einer von China provozierten Aggression ist damit vertraglich gegeben.

Der Fall Korea

Die nordkoreanische Rhetorik gegenüber Seoul klingt im Moment noch aggressiver als sonst. Der nordkoreanische Führer Kim Jong-un lässt alle Verbindungen zum Süden zerstören, um so symbolisch das von ihm angekündigte Ende aller Aussichten auf eine Wiedervereinigung zu signalisieren. Südkorea ist nun „der Hauptfeind“, mit dem alle Beziehungen abgebrochen werden. Mit einem in seiner autokratischen Führungsblase gefangenen Diktator wie Kim sind unliebsame Überraschungen nie auszuschließen, so etwa militärische Abenteuer Richtung Süden oder auch spektakuläre Tests mit neuen ballistischen Kapazitäten zum Transport nordkoreanischer Nuklearsprengköpfe.

Kampflugzeuge auf einem Kriegsschiff der amerikanischen Marine.
Kampflugzeuge auf einem Kriegsschiff der amerikanischen Marine.dpa

Allerdings kann die Kehrtwende Pjöngjangs von Wiedervereinigung zu Erbfeindschaft auch umgekehrt gelesen werden. Als nordkoreanisches Eingeständnis, dass der Süden für immer verloren erscheint. Das allerdings kann Peking nur recht sein, weil China mit einem von ihm abhängigen, totalitären und militärisch hochgerüsteten Pufferstaat gegenüber den wirtschaftlich erfolgreichen Demokratien in seiner Nachbarschaft am besten gedient ist. Damit ist wohl auch Korea als Testgelände für Xi weniger wahrscheinlich.

Autokraten setzen auf Trump

Trump ist zwar erratisch und damit unvorhersehbar, was die Chinesen hassen, aber er kann, wie Putin mit der Ukraine möglicherweise vormachen wird, zum Abschluss seiner „deals“ gebracht werden, was für Xi attraktiv erscheint. Zudem sieht Xi im neuen amerikanischen Präsidenten einen geistesverwandten Partner. Trump hat während seiner Präsidentschaft, etwa mit seiner Verbrüderung mit Kim, gezeigt, dass ihm Systeme und Menschenrechte egal sind, vorausgesetzt, dass er sich als „deal maker“ in Szene setzen kann. In geradliniger Fortsetzung davon steht Trumps kürzliche Feststellung, dass „innere, linke“ Feinde gefährlicher seien als Russland, China und Iran.

Eine chinesische Aggression gegenüber Taiwan wird nicht nur einen Test für Trump bedeuten, ob er letztlich bereit ist, die nach wie vor global größte Militärmaschine zugunsten einer kleinen Demokratie einzusetzen, die Tausende von Meilen vom amerikanischen Herzland entfernt liegt. Es wäre auch offensichtlich, ob und wie die USA unter Trump weiterhin willens sind, die bisherige „pax americana“ im indopazifischen Raum zu verteidigen. Das aber ist im Indopazifik für Japan, Südkorea und Australien entscheidend für ihre zukünftige Sicherheitspolitik.

Botschafter a. D. Philippe Welti und Daniel Woker
Die beiden früheren Schweizer Botschafter führen heute das Unternehmen 'Share-an-Ambassador/Geopolitik von Experten'. In ihrem Buch „Meere und Märkte“ setzen sie sich mit der Geopolitik auseinander.
Bilder: Privat
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