Kontrolle von Goma : Kongo-Rebellen nehmen nach eigenen Angaben Großstadt ein
Im Osten des Kongo hat die Rebellengruppe M23 nach eigenen Angaben die Provinzhauptstadt Goma eingenommen. Die Rebellen, die aus Sicht der kongolesischen Regierung und der Vereinten Nationen (UN) von Ruanda unterstützt werden, hatten in den vergangenen Wochen mehrere Orte in der Region übernommen. Goma galt bisher als sicher. In der Stadt am Kivu-See leben eine Million Menschen, eine weitere Million Menschen haben dort wegen der andauernden Konflikte im Ostkongo Zuflucht gesucht. Es ist zu befürchten, dass sich die Kämpfe in einen regionalen Krieg ausweiten.
Der Sicherheitsrat der UN befasste sich am Sonntagabend in einer eilig einberufenen Sondersitzung mit dem Konflikt. Der UN-Generalsekretär, António Guterres, forderte den Rückzug ruandischer Truppen aus dem Kongo. James Kariuki, Großbritanniens stellvertretender permanenter Vertreter bei den UN, sagte, die „M23 müssen Angriffe auf Blauhelmsoldaten mit Unterstützung der ruandischen Armee sofort stoppen“. Drei Soldaten der UN-Friedensmission MONUSCO, zwei Südafrikaner und ein Uruguayer, wurden in der vergangenen Woche getötet. Außerdem wurden sieben weitere südafrikanische Soldaten und ein Soldat aus Malawi getötet. Sie gehörten zu einer Eingreiftruppe der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Africa (SADC) mit Soldaten aus Südafrika, Malawi und Tansania, die ebenfalls im Ostkongo im Einsatz ist.
Wurzeln des Konflikts
Ruanda bestreitet stets, die M23 zu unterstützen, zeigt sich aber besorgt über die Sicherheit der eigenen Bürger wegen der Kämpfe im Nachbarland und begründet damit die Präsenz ruandischer Soldaten jenseits der Grenze. Der kongolesischen Regierung in Kinshasa wirft Ruanda vor, eine andere Miliz zu unterstützen, die aus ihrer Sicht einen Regime-Wechsel in Ruanda beabsichtigt.
Die Wurzeln des Konflikts reichen bis zum Völkermord in Ruanda vor 30 Jahren zurück. Der Kongo hatte damals mindestens eine Million Flüchtlinge aufgenommen, unter ihnen nicht nur Opfer, sondern auch Mitglieder der berüchtigten, am Genozid beteiligten Interahamwe-Milizen und der früheren, von Hutu dominierten ruandischen Streitkräfte. Zwei Kongokriege folgten, in die andere afrikanische Regierungen und bewaffnete Gruppen hineingezogen wurden.
Die kongolesische Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner sagte, auch wenn Ruanda „vielleicht“ um seine territoriale Sicherheit besorgt sei, sei es „der Kongo und das kongolesische Volk, die im Moment getötet werden, und Ruanda ist dafür verantwortlich“. Ruandas Botschafter bei den UN, Ernest Rwamucyo, sagte auf der Sitzung am Sonntag, Ruanda bedauere die sich verschlechternde Lage im Ostkongo, und fügte hinzu, die gegenwärtige Krise hätte vermieden werden können, wenn der Kongo ein „echtes Engagement für den Frieden” gezeigt hätte.
Explosionen und Schüsse in der Stadt
Kenias Präsident William Ruto, der derzeit den Vorsitz der Ostafrikanischen Gemeinschaft innehat, kündigte in den kommenden zwei Tagen ein Zusammentreffen der beiden Staatschefs an, um die Kämpfe zu beenden. Er fordert ein „sofortiges und bedingungsloses Ende der Feindseligkeiten”. Beide Seiten seien außerdem verpflichtet, humanitäre Hilfslieferungen zu der Bevölkerung gelangen zu lassen. Die „alarmierenden Entwicklungen“ gingen einher mit wachsenden diplomatischen Spannungen in der Region.
Das Bundesentwicklungsministerium forderte am Montag, dass die Gewalt dringend enden müsse. „Das Prinzip der Unverletzbarkeit von Grenzen gilt überall auf der Welt, auch im Ostkongo. Ruandas Soldaten und die von ihnen unterstützte Rebellengruppe M23 müssen sich – wie gestern vom VN-Sicherheitsrat und auch der EU-Außenbeauftragten gefordert – umgehend zurückziehen.“ Demnach sollen alle Seiten an den Verhandlungstisch kommen. „Wir sind bereit, die Länder bei einer friedlichen Entwicklung zu unterstützen – aber sie müssen auch selbst ihren Beitrag zum Frieden leisten“, hieß es weiter.
Wie aus Goma zu hören ist, trauen sich die Menschen dort nicht mehr auf die Straßen. In der Nacht seien Explosionen und Schüsse zu hören gewesen, sagte ein Anwohner in einem Interview mit der BBC. Der Strom fiel aus. Am Montagmorgen gab es zunächst nicht bestätigte Meldungen über einen Massenausbruch aus einem Gefängnis.
Unklar ist, wie Waren und Hilfsorganisationen in die Stadt gelangen können. Goma wurde bisher über die Transportwege von Ruanda versorgt, weil die Rebellen bereits die Zugangsstraßen auf den anderen Seiten blockiert haben.
Seit August 2023 habe sich die Zahl der vertriebenen Menschen im Ostkongo auf mehr als 1,6 Millionen fast verdreifacht, teilte die amerikanische Hilfsorganisationen Mercy Corps mit. „Goma ist mehr als eine regionale Hauptstadt – es ist die Lebensader der humanitären Operationen im Osten der Demokratischen Republik Kongo, und das Ausmaß dieser erneuten Krise droht, die Stadt zu überfordern.“ Mitarbeiter wollten nach Goma zurückkehren, um sich um ihre Angehörigen zu kümmern, aber es sei „extrem schwierig ist, in die Stadt hinein- und aus ihr herauszukommen.”