Macrons neuer Premierminister : Wer ist Jean Castex?
Die Linkswende ist ausgeblieben: Mit dem Republikaner Jean Castex (LR) an der Spitze der Regierung will der französische Präsident Emmanuel Macron Frankreich aus der Krise führen. Der 55 Jahre alte Bürgermeister der katalanischen Kleinstadt Prades soll das ländliche Frankreich verkörpern und für eine neue Etappe zu dezentraleren Regierungsformen stehen. Der Präsident hat ihn bereits getestet und ihm im April die Verantwortung für den Ausstieg aus dem Lockdown übertragen. Während viele Franzosen das Krisenmanagement in der Anfangsphase der Pandemie als katastrophal wahrnahmen, trug Castex dazu bei, dass die Lockerungsmaßnahmen geordnet und ohne hitzige Debatten verliefen.
Der Vater von vier Töchtern hat die klassische Elitelaufbahn an der Kaderschmiede Ena durchlaufen, zeichnet sich aber durch gute Beziehungen in das weite Land aus. Dem früheren Gesundheitsminister Xavier Bertrand (damals LR) diente er als Bürochef. Seine joviale Art und seine Arbeitsdisziplin wird über Parteigrenzen hinweg geschätzt. Während der Amtszeit Nicolas Sarkozys wirkte er als stellvertretender Generalsekretär im Elysée, auch wenn er nie zum engen Kreis um Sarkozy zählte. Macron legt sich damit klar darauf fest, dass er vor allem die rechtsbürgerliche Wählerschaft halten will. Es war zuvor darüber spekuliert worden, er könne eine linkssoziale Kehrtwende vollziehen.
Nach der Wahlschlappe für seine Partei bei den Kommunalwahlen hatte der Präsident eine Regierungsumbildung angekündigt. Premierminister Philippe hat ihm am Freitag ein Rücktrittsgesuch unterbreitet, das der Präsident angenommen hat. Der Regierungschef führt die laufenden Geschäfte weiter, bis Castex die neue Regierungsmannschaft zusammengestellt hat.
Wird Philippe zu einem Rivalen Macrons?
In einem am Freitag veröffentlichten Gespräch mit mehreren französischen Regionalzeitungen lobte der Präsident ausdrücklich seine herausragende Zusammenarbeit mit Edouard Philippe: „Seit drei Jahren ist er an meiner Seite und hat mit unterschiedlichen Regierungen eine vorzügliche Arbeit geleistet, wichtige und historische Reformen geleitet unter oft sehr schwierigen Bedingungen.“ Der Präsident fügte hinzu: „Ich muss Entscheidungen treffen, um einen neuen Weg zu begehen. Dafür wird es eine neue Mannschaft geben.“
Der 49 Jahre alte Philippe, der im Präsidentenwahlkampf noch für die Republikaner kämpfte, erfreut sich großer Beliebtheit im Land. In seiner Heimatstadt Le Havre in der Normandie gaben ihm 58 Prozent der Wähler bei den Kommunalwahlen ihre Stimme. Er kehrt nun ins Rathaus der Hafenstadt zurück. Philippes ruhige und besonnene Art hob sich während der Pandemie von Macrons Auftritten ab. Schon wird darüber spekuliert, dass Philippe zu einem ernstzunehmenden Rivalen für Macron bei den Präsidentenwahlen erwachsen könnte. Laut einer jüngsten Umfrage wünschten sich 57 Prozent der Franzosen, dass Philippe Regierungschef bleibt.